«Olten muss sich nicht verstecken»

Region Olten Tourismus Geschäftsführer Stefan Ulrich spricht im Interview unter anderem über seine Arbeit als gebürtiger Luzerner für den Tourismus im Kanton Solothurn, die Weiterentwicklung des Schweizer Schriftstellerwegs und das Bestreben, Oltens Image zu verbessern.

Stefan Ulrich findet viele Ecken in und um Olten schön, zum Beispiel auch den Kaplaneiplatz in der Altstadt. (Bild: Achim Günter)
Stefan Ulrich findet viele Ecken in und um Olten schön, zum Beispiel auch den Kaplaneiplatz in der Altstadt. (Bild: Achim Günter)

Herr Ulrich, an welchem Ort in der Region Olten halten Sie sich am liebsten auf?

Stefan Ulrich: In der Freizeit bin ich grundsätzlich ein Naturmensch. Wasser ist zum Beispiel ein Element, das ich sehr mag. Hier also an der Aare, flussabwärts oder flussaufwärts. Wunderbar ist auch das Sälischlössli oder der Born. Highlights sind ebenso die Tüfelsschlucht, die Belchenfluh oder der Rumpel.

Aus dieser Antwort spricht der Touristiker, der sich nicht festlegen mag auf eine Destination.

(lacht) Ich bin ja auch hier, weil mir die Region sehr gut gefällt. Die Schweiz bietet äusserst viele abwechslungsreiche Landschaften. Sind wir in der Stadt, können wir innert zehn Minuten in der Natur sein. Die Distanzen sind unheimlich kurz. Das ist ein grosses Privileg. Viele schätzen und geniessen diese Vielfalt. Deshalb nenne ich automatisch mehrere Orte, wenn ich nach dem schönsten Platz in der Region Olten gefragt werde.

Sie sind gebürtiger Luzerner. Kann sich ein Luzerner mit Herzblut für den Tourismus in der Region Olten und im Kanton Solothurn einsetzen?

Natürlich, problemlos. Und wenn man mit einer gewissen Aussensicht an eine Aufgabe herangeht, schätzt man den einen oder anderen Vorzug einer Region vielleicht noch mehr, als wenn man bereits 20, 30 Jahre da gelebt hätte. Auch unsere Mitarbeiterinnen und Stadtführerinnen und Stadtführer beweisen immer wieder, dass man durchaus für eine Region brennen kann, auch wenn man nicht dort aufgewachsen ist.

Im April 2021 wurde die Geschäftsstelle von Kanton Solothurn Tourismus von Solothurn nach Olten gezügelt. Wie fällt nach einem Dreivierteljahr das Fazit über den Standortwechsel aus?

Ob sich der Umzug gelohnt hat, wird sich noch weisen. Das können möglicherweise andere Leute auch besser beurteilen als ich. Mit dem Umzug einher ging ja eine komplette Neuorganisation und -strukturierung des Kantonalverbandes: mit Erweiterung des Vorstandes, mit Schaffung eines Ressortsystems, mit Neuansiedlung der Geschäftsstelle, mit der baldigen Lancierung der Ferienregion Aargau Solothurn. In der Wahrnehmung unserer Gäste und auch vieler unserer Leistungsträger ist der neue Standort Olten eine sehr gute Sache. Die Ausgangslage ist nun auch geographisch gut. Region Olten Tourismus arbeitet schon seit fünf Jahren mit Aargau Tourismus zusammen, im Hinblick auf die Ferienregion Aargau Solothurn liegt unsere KST-Geschäftsstelle geographisch nun quasi in der Mitte. Wir sehen da bereits weitere Synergien. Also wir glauben, dass der Entscheid, mit KST nach Olten zu gehen, ein sehr guter Entscheid war. Die neuen Abläufe haben sich schon sehr gut eingespielt, die Rollen in den Ressorts sind klar, und in allen Ressorts arbeiten sehr gute Leute, die in ihrem Fachbereich hervorragend wirken können.

Sie haben es angesprochen, der Wechsel nach Olten geschah auch deshalb, weil KST ab Anfang 2022 verstärkt mit Aargau Tourismus zusammenarbeiten will. Kommt es bei der Lancierung der Ferienregion Aargau Solothurn zu Verzögerungen?

Organisatorisch nicht. All die administrativen Arbeiten im Hintergrund sind erledigt. Nun stellt sich einfach die Frage: Wann können wir die Zusammenarbeit offiziell kommunizieren und lancieren? Ende Januar wäre dazu ein grosser Anlass in Erlinsbach geplant. Aber momentan wissen wir aufgrund der hohen Corona-Fallzahlen ganz einfach nicht, ob wir den Anlass durchführen dürfen und wollen oder ob wir den Kick-Off-Event auf später verschieben. Auf jeden Fall wollen wir den Anlass so ausrichten, dass die Zusammenarbeit der beiden Tourismusregionen auch national wahrgenommen wird. Denn dieser Schulterschluss ist, gerade auch für den Kanton Solothurn, ein Meilenstein in der touristischen Entwicklung.

Ich behaupte: Würde man einen Appenzeller oder einen Walliser nach touristischen Zielen im Kanton Solothurn fragen, würde ihm wohl die Barockstadt Solothurn einfallen – und danach lange nichts mehr.

Dass innerhalb des Kantons Solothurn die Barockstadt Solothurn mit ihrer Ausstrahlung, ihrer Geschichte und ihrer Funktion als Hauptstadt eindeutig am besten etabliert ist, steht ausser Frage. Allerdings hängt es sehr davon ab, wen man fragt. Das Kloster Mariastein zum Beispiel ist hinter Einsiedeln die grösste Pilgerstätte der Schweiz. Trifft man eine gläubige Person, wird diese sofort nach Solothurn das Kloster Mariastein nennen, eine sehr naturverbundene Person vielleicht nach der Barockstadt sofort den Naturpark Thal mit dem Holzweg, eine kulturinteressierte Person vielleicht sogar als erstes den Schweizer Schriftstellerweg in Olten.

Aber die Strahlkraft der Stadt Solothurn dürfte unübertroffen sein.

Es ist ja auch gar nicht unser Ziel, etwas vor die Stadt Solothurn setzen zu wollen. Das macht keinen Sinn. Wir wollen die drei, vier wichtigsten Leuchttürme in den Vordergrund rücken, dann aber gleich nachschieben: «Wir haben noch mehr.» Auf Olten bezogen heisst das: Als erstes weisen wir auf den Schweizer Schriftstellerweg hin, erwähnen dann aber auch gleich das reiche Kulturangebot in Olten, den Naturpark Thal, den Ballypark in Schönenwerd, die Stadt Solothurn, den Weissenstein. Vor sieben Jahren, als ich hier meine Arbeit aufnahm, lag der Fokus stark auf Olten. Wir sollten hier etwas aufbauen, eine Marke kreieren. Jetzt sind wir an einem ganz anderen Punkt. Die Frage heisst nun: Wie bekommen wir mehr Leute in die Stadt, vor allem aber auch in die Region? Wie können wir ihnen die grosse Erlebnisdichte in Stadt und Region Olten aufzeigen und so erreichen, dass sie ein-, zweimal hier in der Gegend übernachten und nicht gleichentags schon wieder die Heimreise antreten?

Der angesprochene Schweizer Schriftstellerweg konnte 2021 sein 5-Jahre-Jubiläum feiern. Wie soll er weiterentwickelt werden?

In diesen fünf Jahren haben wir eine sehr breite Palette an Hörstationen geschaffen. Es sind mittlerweile über 70 von 23 Autorinnen und Autoren. Mit Christof Gasser haben wir 2021 ein neues Kapitel geöffnet: Krimi. Und mit Gasser haben wir bereits eine Weichenstellung vollzogen: Er las die Krimitour auf Deutsch und Französisch ein. Die Anzahl der Hörstationen werden wir vorderhand nur minimal erhöhen – wenn überhaupt. Aber wir werden weitere Touren übersetzen. Auch Alex Capus und Pedro Lenz werden ihre Touren auf Französisch einlesen, so dass wir dann insgesamt 21 Hörstationen in französischer Sprache haben werden. Coronabedingt dürfen wir seit zwei Jahren sehr viele Gäste aus der Romandie in Olten begrüssen; im letzten Sommer sprachen wir auf unserer Geschäftsstelle täglich mit Gästen Französisch. Das ist wunderbar. Aber nun müssen wir natürlich auch in der Produkteentwicklung in dieser Richtung weitergehen und das Sprachangebot beim Schriftstellerweg ausbauen. Das zweite Ziel ist, gewisse Touren zum Beispiel für Sehbehinderte oder Personen im Rollstuhl zu erschliessen und so auch neue Gästegruppen zu gewinnen.

Corona bestimmt unser Leben noch immer. Auf welche Grossanlässe darf man sich in Olten 2022 dennoch freuen?

Im Mai sind die Oltner Kabarett-Tage immer ein Highlight. Ebenfalls im Mai wird «SRF bi de Lüt – Live», inzwischen die grösste Samstagabendkiste des Schweizer Fernsehens, aus Olten gesendet. Das wird, kombiniert mit einem kleinen Beizlifest, ebenfalls ein Höhepunkt werden. Zu erwähnen ist weiter das Gastspiel von Karl’s kühne Gassenschau im Sommerhalbjahr. Toll sind jeweils im Spätherbst auch das Buchfestival oder die Tanztage. Und wir freuen uns bereits auf die zweite Auflage des Adventsdorfs im Dezember.

Inwiefern bietet Region Olten Tourismus bei diesen Anlässen Unterstützung?

Wir sind primär Geschichtenerzähler, Unterstützer und Vermarkter. Bei den Grossanlässen versuchen wir zum Beispiel unsere Kanäle bei der Dachorganisation Schweiz Tourismus auszureizen. Da klotzen wir auch mal, um national Werbung machen zu können. Veranstalter hingegen sind wir meist bloss im kleinen Rahmen, etwa bei unseren Stadtführungen. «SRF bi de Lüt – Live» ist nun aber eine Ausnahme. In diesem Fall ist ROT die lokale Leadorganisation – in Zusammenarbeit mit Gewerbe Olten und der Stadt.

Was ist Ihnen sonst ein Anliegen?

Wir möchten einen Aufruf an die Leute aus unserer Region richten: Warum denn in die Ferne schweifen, das Gute liegt so nah. Selbst alteingesessene Oltnerinnen und Oltner sind jeweils positiv überrascht, wenn sie mal eine unserer Stadtführungen besuchen. Denn das ist noch immer schade: Viele verkaufen Olten nach wie vor unter Wert, glauben, sie müssten sich rechtfertigen oder beinahe entschuldigen, dass sie in Olten wohnen.

Aber Oltens Image ist doch anderswo tatsächlich noch immer von wenig schmeichelhaften Klischees geprägt: Umsteigebahnhof, Aussteigen nur im Notfall, Strassenstrich.

Leider ist das in vielen Köpfen tatsächlich noch immer das Bild von Olten. Ich betone immer wieder, dass der Imagewandel ein Generationenprojekt ist. Aber all die tollen Leute hier – in Kultur, Gewerbe, Stadtverwaltung oder Wirtschaftsförderung – arbeiten nun wirklich gemeinsam in eine Richtung. Und wenn jede Oltnerin, jeder Oltner ein wenig selbstbewusster und fröhlicher über die Stadt sprechen würde, käme der Imagewandel schneller in die Köpfe. Denn man darf wirklich stolz sein. Es ist eine superschöne Gegend! Die alten Klischees darf man getrost vergessen: Nebel gibt es überall, einen Bahnhof gibt es überall, einen Strassenstrich gibt es überall, Randständige gibt es überall. Olten muss sich nicht verstecken!

 

Seit 2014 in Olten

Stefan Ulrich amtet seit Herbst 2014 als Geschäftsführer von Region Olten Tourismus (ROT), seit dem Frühling 2021 auch als Geschäftsstellenleiter von Kanton Solothurn Tourismus (KST). Ulrich bekleidet an der Frohburgstrasse 1 in Olten ein 90-Prozent-Pensum. Den Grossteil seiner Arbeitszeit wendet er für ROT auf, für KST ist der jährliche Arbeitsaufwand auf rund 100 Stunden veranschlagt. Vor seinem Engagement in Olten arbeitete der diplomierte Tourismusexperte für Schaffhauserland Tourismus. Aufgewachsen im Luzerner Seetal, wohnt der 43-Jährige mit seiner Frau und seinem dreijährigen Sohn im aargauischen Ammerswil. (agu)

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