Frau Kanti wird pensioniert

Sibylle Wyss Die Rektorin der Kantonsschule Olten Dr. Sibylle Wyss wird per Ende Juli pensioniert. Fast ihr ganzes Leben wirkte sie an der Hardfeldstrasse. Entsprechend schwer falle ihr der Ablösungsprozess, wie sie inmitten von Kisten erzählt.

Die Schachteln mit dem roten Klebeband kommen weg. Rektorin Dr. Sibylle Wyss arbeitet sich nach 37 Jahren an der Kantonsschule Olten, davon 11 Jahre als Rektorin, durch Kisten voller umgesetzter Projekte und Erinnerungen. (Bild: mim)
Die Schachteln mit dem roten Klebeband kommen weg. Rektorin Dr. Sibylle Wyss arbeitet sich nach 37 Jahren an der Kantonsschule Olten, davon 11 Jahre als Rektorin, durch Kisten voller umgesetzter Projekte und Erinnerungen. (Bild: mim)

Das Packen kam für die Kantonsschule Olten-Rektorin Dr. Sibylle Wyss etwas früher als eigentlich gewünscht. Nachdem die Arbeiten im Zuge der Gesamtsanierung des Kantonsschule Olten-Gebäudes auf dem vierten und dritten Stock abgeschlossen werden konnten, standen anfangs Juli die Umbauarbeiten bei den Büros der Schulleitung und den Sekretariaten an. «Wenigstens bin ich nicht die Einzige, die nun packen muss», tröstete sich die 64-Jährige mit einem Schmunzeln. Die schlagfertige «Frau Kanti Olten» ist selten um eine Antwort verlegen. Doch beim Gespräch wird spürbar, wie sehr sie die anstehende Trennung nach 37 Jahren von der Institution, insbesondere aber von den Menschen, berührt.

Wunscharbeitsort: Kantonsschule Olten

Während ihrem Linguistik-Studium an der Universität Basel unterrichtete Wyss stellvertretend an der Kanti Olten Französisch sowie Englisch und absolvierte teils mehrere Semester in Neuenburg, Cambridge, Brighton, Paris und Südfrankreich. «Es war schon immer mein Traum, an der Kanti Olten tätig zu sein. Als Provinzstadt mit einer Mittelschule wurde die Kanti zwar damals noch belächelt, doch ich schätzte die Übersichtlichkeit sowie die motivierten Schülerinnen und Schüler, bei denen ich nicht als Dompteuse im Schulzimmer stehen musste», erzählt die Oltnerin schmunzelnd, die nicht nur als Aushilfslehrerin, sondern zuvor bereits als Schülerin die Kantonsschule Olten besucht hatte. Zusammen mit ihren zwei Brüdern ist sie zuerst in Niedergösgen aufgewachsen und später gemeinsam mit der Mutter nach Trimbach, an die Stadtgrenze zu Olten, umgezogen, das ihr damals als Grossstadt erschien. «Der eine Bruder und ich waren die Ersten unserer Familie, die eine Matura ablegten», erzählt Wyss und liefert damit eine Erklärung für ihren bis heute anhaltenden Wissensdurst. «Ich habe stets alles aufgesaugt wie ein Schwamm und mich für die verschiedensten Themen interessiert. Vielleicht wurde ich auch deshalb als wandelndes Wörterbuch bezeichnet», erzählt Wyss, die neben viel Ehrgeiz auch Disziplin mitbrachte. Ihre Mutter habe sie während ihrer Schulzeit und auch später im Studium stets unterstützt, weshalb sie als Mädchen neben zwei Brüdern nie das Bedürfnis hatte, als militante Frauenrechtlerin auftreten zu müssen. Nachdem sie als Gymnasiastin zuerst im Frohheim-Schulhaus untergebracht war, schloss Wyss schliesslich als zweiter Jahrgang ihre Matura in Olten im Kanti-Neubau ab, der 1974 eröffnet wurde. Ab 1982 war sie während 12 Jahren als Hilfslehrerin an der Kanti Olten und an der Universität Basel tätig und doktorierte 1986. Acht Jahre später übernahm Wyss die Stelle als Hauptlehrerin für Englisch und Französisch in Olten und ein Jahr darauf wurde sie zur Rektor-Stellvertreterin des Gymnasiums und 2002 zur Rektorin und Leiterin der sprachlichen und musischen Maturitätsprofile und des Untergymnasiums gewählt. 2008 erfolgte die Wahl zur Rektorin der Kantonsschule Olten.

In diversen Projekten ausgetobt

Auf die Frage, ob die Kanti während ihrer Zeit eine andere gewesen sei, meint Wyss: «Damals waren zum Beispiel Gruppenarbeiten en vogue, in denen viel diskutiert, politisiert und philosophiert wurde.» Für sie sei das manchmal zu viel gewesen, weshalb sie die Stunden schätzte, in denen sie in einem Fach den entsprechenden Stoff zu lernen hatte. «Wir hatten bereits damals grosse Freiheiten und Möglichkeiten, aber auch eine andere Dynamik als heute», überlegt die Oltnerin. Angesprochen auf die sich stark wandelnde Bildungslandschaft antwortet Wyss: «In den ersten
15 Jahren Lehrtätigkeit hatte ich nicht das Gefühl, dass sich allzu viel verändert, doch danach folgten tiefgreifende Schulentwicklungen.» Dass es früher besser gewesen sei, wolle sie damit aber nicht sagen. «Ich habe das Gefühl, dass heute sehr gut und professionell unterrichtet wird und ich ziehe meinen Hut vor unseren Lehrkräften, die mit grossem Engagement den hohen Anforderungen des Unterrichtens gerecht werden und die wichtige Schulentwicklungsarbeit mittragen», windet Wyss ihren Angestellten ein Kränzchen. Schwierig sei es für sie dann geworden, wenn sie einen kantonalen Entscheid gegen den Willen des Kollegiums habe durchsetzen müssen, antwortet Wyss auf die Frage nach den Herausforderungen. Als Prorektorin habe sie das Privileg genossen, sich in unterschiedlichsten Projekten, wie der Methodenvielfalt, der Feedbackkultur, der bilingualen Bildung oder der Betreuung, austoben zu dürfen. Sie war in dieser Funktion auch in Bereichen, wie der Selbsthilfegruppe für Essstörungen und als Mitglied der städtischen Drogenkonferenz tätig, die auf den ersten Blick kaum etwas mit dem Bildungsbereich zu tun hatten.

Zu alter Pracht sanieren

«Die Kantonsschule Olten ist in meinen Augen ein architektonisch durchdachter Bau, der mit seinen quadratischen Flächen optimale Lernorte und Aufenthaltsmöglichkeiten bietet. Das Gebäude war bei seiner Eröffnung 1974 mit der Mediothek, der Mensa, dem Hallenbad und der Turnhalle das Neueste, was es damals gab. Es war einfach unser Paradies», erinnert sich Wyss, die auch ihre freien Stunden an der Kanti beim Lernen und Nachhilfestunden erteilen verbrachte. «Mit der im Jahr 2016 gestarteten Gesamtrenovation soll das Gebäude wieder zu alter Pracht hergerichtet und an die heutigen Gegebenheiten angepasst werden, damit beste Rahmen- bedingungen vorhanden sind, um das Lernen zu ermöglichen und zu fördern. Dies scheint zu gefallen», freut sich Wyss. Ihr Traum wäre es gewesen, wenn ihre Pensionierung und das Ende der Bauzeit auf dieselbe Zeit gefallen wären. «Wenn es nicht Verzögerungen gegeben hätte, dann wäre ich als Schülerin gekommen als die Kanti neu, und als Rektorin gegangen, als sie in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt war», so die Rektorin.

Die gewonnene Zeit

Ihrer Pensionierung sieht Wyss mit gemischten Gefühlen entgegen, denn ihre Leidenschaften lebte sie bisher an der Kanti aus und entdeckte manche verschollen geglaubte auch dort wieder neu, wie anlässlich der Maturaarbeiten im letzten Jahr. «Ich wurde von Franziska Heusser angefragt, ob ich sie bei ihrer Maturaarbeit unterstützen würde. Sie wählte früheste altenglische, medizinische Texte, deren Alphabet sie zuerst lernen musste, um sie zu entschlüsseln und Buchstabe für Buchstabe ins Neuenglisch zu übersetzen. Die Arbeit mit ihr hat in mir meine alte Leidenschaft für historische Linguistik neu entfacht», freut sich Wyss, die sich seit einem Jahr intensiv mit dem Thema Ruhestand auseinandersetzt. Sie versuche, Begegnungen bewusst zu erleben, denn es seien insbesondere die Menschen, die sie vermissen werde. Doch untätig wird Wyss auch in Zukunft nicht sein: «Im Herbst warten bereits einige Termine vor allem in kulturellen und wirtschaftlichen Bereichen. Daneben erteile ich Englisch-Stunden für Erwachsene und betreue Arbeiten von Student/innen. Ausserdem hat die Rektorin in den letzten Jahren begonnen, «ihr» England zu entdecken. «Ich fühle mich dort wie zu Hause und möchte das ganze Land bis hinauf nach Schottland erkunden», erzählt sie lachend. Daneben ziehe es sie nach Italien, denn sie wolle noch so richtig Italienisch lernen und sich auch wieder vermehrt dem Akkordeonspiel widmen, das sie im Alter von 12 Jahren begonnen habe. Daneben werde sie das breite kulturelle Angebot in Olten noch mehr geniessen können. «Schliesslich bin ich noch ziemlich munter und ein Ideeli vom Rollator entfernt», schliesst Frau Kanti mit einem Schmunzeln.

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