Mit offenen Kirchentoren

Pastoralraum Olten Während rund einem Jahr leitete Antonia Hasler den Pastoralraum Olten übergangsweise. Zu Beginn des Jahres übernahm sie die Leitung nun dauerhaft. Für Hasler steht fest: «Die Kirche muss näher zu den Menschen.»

Antonia Hasler in der Oltner Marienkirche: «Religion betrifft den ganzen Menschen, seine Werte und seinen Alltag.» (Bild: Franz Beidler)
Antonia Hasler in der Oltner Marienkirche: «Religion betrifft den ganzen Menschen, seine Werte und seinen Alltag.» (Bild: Franz Beidler)

Vom Fenster von Antonia Haslers Büro lässt sich der geteerte Platz neben der Oltner St. Marien Kirche überblicken. Sucht jemand die Leiterin des Pastoralraums Region Olten in ihrem Büro auf, sieht sie ihre Besucher den Platz überqueren. Dann springt die 53-Jährige auf, winkt durch das Fenster und zeigt mit einladendem Lächeln auf die Türe am Ende des Gebäudes. In Corona-Zeiten ist diese verriegelt. Hasler schliesst die Türe auf und gewährt mit freundlicher Begrüssung Einlass. Zu Beginn des Jahres übernahm sie offiziell die Leitung des Pastoralraums Region Olten, ihren Einsetzungsgottesdienst feierte sie am 12. Januar. Türen zu öffnen, ist ihr aber seit je her ein Anliegen, besonders die Pforten der Kirche: «Wir müssen das Bild von Religion korrigieren», sagt sie bestimmt. Von all jenen, die Kirchensteuern bezahlten, würden nur etwas mehr als zehn Prozent den sonntäglichen Gottesdiensten beiwohnen. «Wo sind die restlichen neunzig Prozent?», fragt Hasler und schliesst daraus: «Gegenüber den sozialen Aufgaben der Kirche sind die Gottesdienste überbewertet.» Hasler weiss das aber nicht nur aus Statistiken, sondern auch aus Erfahrung. Seit Mitte der Neunzigerjahre in der Region Olten wohnhaft, arbeitete sie in der Berner Pfarrei Dreifaltigkeit als Theologin und Seelsorgerin. «Das waren meine Lehrjahre», sagt Hasler. Sie absolvierte die zweijährige Berufseinführung für Pastoralassistentinnen und die pastoralpsychologische Ausbildung für die Seelsorge. Ebenfalls erlebte sie mit, wie der Pastoralraum Bern geschaffen wurde. In einem kleinen Pensum war sie daneben in der Oltner Martinspfarrei als Altersseelsorgerin tätig. «Ich kenne die Situation in Olten also gut.» Dass sie hauptsächlich in Bern arbeitete, habe ihr aber immer auch einen Aussenblick auf Olten ermöglicht. Schliesslich wechselte sie vor vier Jahren ganz in die Dreitannenstadt. Neben Mario Hübscher ergänzte sie das Leitungsteam um Andreas Brun, das den Pastoralraum Region Olten ins Leben rufen sollte.

Seit eineinhalb Jahren in der Funktion

Vor drei Jahren wurde zu Pfingsten der hiesige Pastoralraum feierlich errichtet. Im Herbst 2018 legte Brun sein Amt überraschend nieder und Hasler trat vorläufig in seine Fussstapfen. Die Aufgaben als Leiterin des Pastoralraums Olten stemmt sie also schon seit rund einem Jahr. Formsache sei die Zeit bis zur offiziellen Einsetzung aber nicht gewesen. Sie habe die Aufgabe kennenlernen wollen. «Klärungsbedarf», sagt Hasler, «gab es auch auf meiner Seite.» Für die Entscheidung, ob sie die Stelle übernehmen will, gab sie sich bis im Sommer 2019 Zeit. Ausschlaggebend waren schliesslich die Menschen: «Wir haben ein tolles Team.» Von den Fachbereichsverantwortlichen, den Pfarreiräten, besonders aber von den vielen Freiwilligen ist Hasler begeistert. «Wir haben sogar Freiwillige aus anderen Konfessionen», schwärmt sie vom Zusammenhalt ihrer Gemeinde.

«Ich bin ziemlich krisenresistent»

Zudem ist Hasler vom eingeschlagenen Weg überzeugt. «Ich bin zuversichtlich, dass der Pastoralraum zusammenwächst.» Dass dies auch Spannungen wecken könne, davon lasse sie sich nicht abschrecken. «Ich bin ziemlich krisenresistent», sagt Hasler, «das habe ich wohl von meinem Vater.» Im italienischsprachigen Poschiavo in Graubünden, wo Hasler aufwuchs, führte dieser ein Spital. «War der Berninapass zugeschneit, waren wir von der Aussenwelt abgeschnitten», erinnert sie sich. Bei schwierigen Fällen waren dann Professionalität und starke Nerven lebensentscheidend. Eine ruhige, zuversichtliche Ausstrahlung kommt nun auch Hasler zu Gute: «Ich bin die Letztverantwortliche eines Kleinunternehmens.» Als solche führe sie 40 Mitarbeitende, kümmere sich um Finanzen und Controlling. Sie strebe eine professionelle Kirchenleitung in allen Bereichen an. «Diese Herausforderung reizt mich, besonders in Zeiten des Umbruchs.»

Die Kirche im Umbruch

Dabei meint Hasler nicht nur die Errichtung des Pastoralraums, sondern die Kirche allgemein. «Das Bedürfnis nach Spiritualität ist da, aber wir sind ein Anbieter unter vielen», sagt Hasler. «Billige Heilsversprechen funktionieren nicht mehr.» Vielmehr müsse die Kirche die Bedürfnisse der Menschen kennen. So soll in Gottesdiensten auch mal gefragt werden, was denn Spiritualität überhaupt sei. «Ohne diesen Schritt näher zu den Menschen hin, verliert die Kirche ihre Daseinsberechtigung», stellt Hasler klar. Das erschliesst sich auch aus ihrer Haltung: Schon als sie sich nach der Matura an der Klosterschule Disentis für das Theologiestudium entschied, stand für sie fest: «Religion betrifft den ganzen Menschen, seine Werte und seinen Alltag.» Klar also, dass sie sich heute dafür einsetzt, die Kirchentore weiter zu öffnen. Und zu einer der dringlichsten Fragen, der sich die katholische Kirche stellen muss, jener der Priesterinnen, meint Hasler gelassen: «Auch ohne Worte, sondern rein dadurch, dass ich als Frau Leiterin des Pastoralraums bin, mache ich eine politische Aussage.» Schweigsam ist Hasler dennoch nicht. Am Frauenstreiktag im Juni letzten Jahres hielt sie eine Rede auf der Oltner Kirchgasse. Und sie betont: «Die meisten Freiwilligen und Kirchenbesucherinnen sind Frauen.» Umso mehr müssen Frauen den Männern auch in der Kirche gleichgestellt werden. Manche von Haslers Kolleginnen setzen sich denn auch über die Vorgaben hinweg und geben beispielsweise den Schlusssegen, der noch ausschliesslich einem Priester vorbehalten ist, selber. Hasler jedoch tut das nicht. «Das Bistum gab mir den Auftrag, zu predigen. Demgegenüber bin ich loyal. Für mich ist das Ausdruck unserer kirchlichen Gemeinschaft.»

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