Der Pöstler hinter Gitter
Weihnachten ist vorbei,der Jahreswechsel stehtbevor. Wie verbringen Insassen im Untersuchungsgefängnis die Festtage? Gefängnisleiter Urs Rötheli erzählt.

Sicherheitsschranken und Kontrollen begleiten den Besucher beim Betreten des Untersuchungsgefängnisses Olten am Rötzmattweg 133. 36 Plätze stehen während 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Manche Insassen bleiben nur zur Ausnüchterung während einer Nacht und andere über längere Zeit. «Vielen ist der Unterschied zwischen einem Untersuchungsgefängnis und einer Vollzugsanstalt nicht bekannt», so Urs Rötheli, der Leiter der Untersuchungsgefängnisse Solothurn und Olten. «Wenn die Polizei eine Person festnimmt, wird diese ins Untersuchungsgefängnis gebracht. Dort bleibt die Person, bis das Gericht das Urteil gefällt hat und erst danach wird der Insasse, je nach Strafmass in eine Vollzugsanstalt überführt», stellt der 52-jährige Rötheli klar. Deshalb ist auch die Deliktart der Insassen unterschiedlich, eine betrunkene Person bleibt zur Ausnüchterung für eine Nacht, andere werden wegen häuslicher Gewalt eingesperrt, aber auch Personen, welche im Verdacht stehen, einen Mord begangen zu haben werden in Olten inhaftiert.
Faire und respektvolle Behandlung
13 Mitarbeiter, darunter zwei Frauen, arbeiten in den drei Bereichen des Untersuchungsgefängnisses Olten. Aufgrund der Überlastung der Vollzugsgefängnisse, betreut das Untersuchungsgefängnis Olten auch Insassen, die eine Kurzstrafe abzusitzen haben. Diese Personen arbeiten in der Heimindustrie und erledigen kleine Aufträge. Der zweite Bereich ist der Zentrale Dienst, welcher die Verwaltungsarbeiten und die Besucherregelungen erledigt und mit der Überwachung mehrerer Kameras, das gesamte Untersuchungsgefängnis kontrolliert. Der dritte und grösste Arbeitsbereich stellt jedoch die Betreuung der Insassen dar. «Unsere Betreuer sind Personen aus den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen, die als zweite Ausbildung während zwei Jahren in Fribourg den Fachmann für den Justizvollzug absolviert haben», erzählt Rötheli. Die Arbeiten des Betreuers sind vielseitig und reichen von handwerklichen Tätigkeiten bis zur Verteilung des Essens. «Der Betreuer ist für den Insassen oftmals die einzige Bezugsperson in einer schwierigen Zeit», weiss Rötheli und fügt an: «Im Untersuchungsgefängnis ist Einzelhaft während 23 Stunden angeordnet und eine Stunde darf der Insasse an die frische Luft auf dem Dach des Untersuchungsgefängnisses - eine rund 30 Quadratmeter umfassende Plattform.» In der Zelle sei der Insasse ebenfalls auf die Betreuer angewiesen, denn mit Ausnahme eines Fernsehgeräts, sei nichts vorhanden. «Der Insasse hat, für uns selbstverständliche Möglichkeiten nicht mehr, ausserdem ist die Zeit im Untersuchungsgefängnis ungewiss, denn er weiss nicht, was mit ihm geschieht, da das Urteil noch nicht gefällt ist», erklärt Urs Rötheli. Deshalb sei die Suizidgefahr während dieser Zeit hoch und ein Gespräch zwischen Betreuer und Insasse manchmal hilfreich. «Wir haben nicht nur Personen, die wegen Totschlag verdächtigt werden in der Zelle, manchmal handelt es sich um angesehene Personen, welche zuvor noch nie Kontakt mit dem Gefängnis hatten und im Verdacht stehen, ein Wirtschaftsdelikt begangen zu haben. Bei diesen Menschen komme schnell die Frage auf, wie es weitergehen soll, was passiert mit ihrem Job etc. Somit ist das Zwischenmenschliche die Hauptarbeit für die Betreuer», erklärt Rötheli. Wenn in einer Zelle ein Insasse tobe, werde die Polizei gerufen: «Wir massregeln die Insassen nur verbal , da wir auch zukünftig mit ihnen arbeiten müssen», stellt Rötheli klar. Und wie wird die strenge Hausordnung durchgesetzt? «Beleidigungen akzeptieren wir beispielsweise nicht, deshalb disziplinieren wir die Insassen durch ein Besuchsverbot oder indem wir ihnen das Fernsehgerät wegnehmen.» Hat der Leiter des Untersuchungsgefängnisses Mitleid mit den Insassen? «Nein, aber ich versuche, die Fälle differenziert zu betrachten.» Und ob die Arbeit nicht sehr belastend sei? «Wenn ich in der Garderobe die Uniform anziehe, versuche ich einen fairen Job zu machen und am Abend, wenn ich die Uniform ausziehe, lasse ich mit ihr die Arbeit zurück», erklärt Urs Rötheli.
Weihnachten im Gefängnis
Während 25 Jahren war Urs Rötheli in verschiedenen Abteilungen der Post tätig und führte 160 Personen. Zufällig sei er vor rund vier Jahren auf das Inserat gestossen, in welchem ein Leiter für das Untersuchungsgefängnis Solothurn gesucht wurde. Seit Juli leitet Rötheli neben Solothurn nun auch Olten und pendelt meist am Tag zwischen den beiden Standorten.
Wird im Untersuchungsgefängnis Weihnachten gefeiert? «Die Zeit um Weihnachten ist für die Insassen meist sehr belastend. Wir erlauben ihnen in dieser Zeit mehr Telefonate und die Seelsorge veranstaltet eine Weihnachtsfeier, an welcher die meisten Häftlinge teilnehmen. Auch ist das Essen, welches wir vom Männerheim erhalten, etwas spezieller als in den anderen Monaten», erzählt der zweifache Vater. Hat er niemals Angst? «Ein gesunder Respekt ist wichtig, aber man sollte keine Angst haben, denn auch ein Doppelmörder will nicht ständig morden. Die Erfahrung zeigte mir, dass diese Menschen im Gefängnis meist hochanständige Menschen sind.» Hat Rötheli den Jobwechsel jemals bereut? «Nein, denn ich übe keinen 0815-Job aus und führe an beiden Standorten tolle Mitarbeiter», lächelt der Leiter der Untersuchungsgefängnisse.