«Die Von Roll war mein Leben»

Historisches Museum Noch bis Oktober zeigt das Historische Museum in der Ausstellung «Von Roll Eisenwerk» zwei Jahrhunderte - einer Firmengeschichte. Hans Sägesser, der 40 Jahre in der «Von Roll» tätig war, - erinnert sich zurück.

Hans Sägesser vor einer Ansicht der Giesserei Olten, die in der Von Roll-Ausstellung zu sehen ist. mim)
Hans Sägesser vor einer Ansicht der Giesserei Olten, die in der Von Roll-Ausstellung zu sehen ist. mim)

Berge mit Unterlagen und Fotos über die Firma Von Roll stapeln sich bei Hans Sägesser auf dem Wohnzimmertisch. Die Firma Von Roll hatte ihren Hauptsitz einst in Gerlafingen und produzierte im Verlauf der Jahre, gemeinsam mit ihren Tochterfirmen, an 17 verschiedenen Standorten. Auch in Olten. Hans Sägesser, der in Oensingen aufgewachsen ist und in Solothurn die Handelsschule absolvierte, arbeitete von 1948 bis 1955 in der Heizungsabteilung der Von Roll in der Klus. Schmunzelnd erinnert sich der heute 92-Jährige an seine Lohnerhöhung 1948 über 25 Franken aufgrund seiner Heirat zurück. Nach sieben Jahren wurde Sägesser in den Hauptsitz in Gerlafingen befördert und übernahm die Organisation des Aussendienstes. «Ich betreute die rund40 Aussendienst-Beschäftigten und organisierte Zusammenkünfte und Führungen», erklärt Sägesser. Daneben begann er kontinuierlich seine Kontakte aufzubauen. «Kontakte sind heute noch so wichtig wie früher», ist Sägesser überzeugt.

Werk in Olten

Bereits im Erdgeschoss des Historischen Museums Olten präsentieren sich die ersten Leihgaben und zeigen das breite Spektrum, in welchem die Von Roll tätig war, wie beispielsweise der Basler Basiliskenbrunnen oder im zweiten Stock ein riesiger Kranhaken - teils filigran oder wuchtig, aber immer aus Eisen gefertigt. «Die Geschichte der Firma Von Roll ist ein wichtiger Teil der Oltner und Schweizer Wirtschaftsgeschichte», betont Peter Kaiser, Kurator des Museums. Das Werk Olten, welches von 1866 bis 1984 betrieben wurde, befand sich auf dem Areal des heutigen Säliparks neben der Von Roll gehörenden Giroud Olma AG.

Nicht bei allen beliebt

Es war nicht selten, dass Aufträge nur aufgrund Hans Sägessers gutem Beziehungsnetz zustande kamen. Daneben sammelte und dokumentierte er alles Mögliche über die Firma. «Die Firma Von Roll war mein Leben, in welcher ich arbeitete, als wenn sie mir gehören würde», so Sägesser und fügt schmunzelnd an: «Ich habe mich in dieser Art zu Arbeiten nicht bei allen beliebt gemacht, denn ich steckte meine Nase auch immer wieder in Bereiche, die nicht zu meiner eigentlichen Arbeit gehörten.» Aber um erfolgreich zu sein, müsse man selber die Initiative ergreifen, ist der Hauptmann, der einst mit seiner Radfahrer-Kompanie in die Pedale trat, noch heute überzeugt. Er sei der Letzte gewesen, der eine eigene Kaffeemaschine im Büro stehen gehabt habe, so Sägesser, der im Jahr 1986 pensioniert wurde. Rund zehn Jahre zuvor begann er, neben Unterlagen und Broschüren, auch Einzel- und Kunstgussstücke zu sammeln. «Durch den Wechsel in der Firmenführung waren vermehrt Personen angestellt, die die Bedeutung der geschichtsträchtigen, 1810 gegründeten Firma, nicht mehr nachvollziehen konnten. Dies ist der Grund, weshalb viele Unterlagen oder spezielle Gussunikate nicht mehr existieren.» Mit dieser Problematik hatte sich auch Peter Kaiser vom Historischen Museum auseinanderzusetzen, als er und sein Team vor rund einem Jahr mit den Vorbereitungen für die Ausstellung begannen. «Von der Giesserei Olten sind leider sehr wenige Unterlagen vorhanden.»

Die Arbeit der Mineure

Im ersten Stock wird der Besucher erstmals in die Erzgewinnung und in die Arbeit der Mineure in den Bergwerk-Stollen eingeführt. Ein Foto dokumentiert einen imposanten Hochofen in Choindez (JU) und ein Film wurde aufbereitet der zeigt, wie um 1930 im Eisenwerk in Gerlafingen gearbeitet wurde. Des Weiteren dokumentieren Hydranten und Schieber die ständige Entwicklung. Einst kunstvoll und detailreich gefertigt sorgen heute modernste und in den unterschiedlichsten Farben glänzende Hydranten für funktionierende Wasseranschlüsse für die Feuerwehr.

Reise nach New York

Ein weiteres Standbein der Firma Von Roll war einst der Bau von Bergbahnen weltweit. Hans Sägesser pflegte gute Kontakte zu Zermatt, Titlis und ins Engadin und reiste einst gar nach New York, wo die Von Roll die Seilbahnen für die Roosevelt Island Tramway bauen konnte. Sägesser reiste jedoch damals im Auftrag der Firma Ferriere di Stabio (Monteforno) nach New York, um rostfreie Schrauben zu verkaufen. Daneben gründete Sägesser die Gemeinschaft der «Alt-Von-Rollianer». Anhand eines dicken Fotoalbums zeigt er eine Zeitreise durch 40 Jahre Tätigkeit: «Sehen Sie», meint Sägesser und zeigt auf einige Fotos, die seine Reise nach Saudi-Arabien dokumentieren, als er gar selbst die Lieferung von 50 Exemplaren 50-Tonnen-Lastwagenanhänger begleitete. «Do isch en Seich passiert», erzählt er schmunzelnd. Dieser führte dazu, dass Sägesser im über40 Grad heissen Wüstensand Transportschäden mit Farbe ausbesserte und die gestohlenen Rotlichtlampions an den Fahrzeugen ersetzen musste.

Von Schachtdeckeln bis Gusspfannen

Was ebenfalls den Meisten ein Begriff sein dürfte, sind die Schachtdeckel, welche zu grossen Teilen durch die Firma Von Roll hergestellt wurden. Einige sind ebenfalls im Historischen Museum ausgestellt. Aber auch Kochzubehör, wie Gusspfannen, sind noch heute in vielen Haushalten anzutreffen. Weitere Bereiche der Von Roll waren Grossgussobjekte, Grosssperrorgane, Kugelschieber, Drosselklappen, Walzblöcke, Turbinenwellen sowie Produkte im Transportbereich, wie Seilbahnen, Bahnweichen, Grosskräne, Papierrollen-Transportanlagen und die Drehrestaurants Alallin und Schilthorn. Da die Firma Von Roll in den vergangenen Jahrzehnten ein Bereich nach dem anderen verkaufte, besteht heute als eigentliche Firma Von Roll nur noch das Werk in Breitenbach, welches sich auf die Herstellung von Elektroisoliermaterial beschränkt.

Museum in Choindez

Auch nach seiner Pensionierung liess Sägesser seine Kontakte für die Von Roll spielen, um den einen oder anderen Auftrag übernehmen zu können. «Pensioniert zu werden, war schwer für mich», erinnert sich Sägesser, der während 15 Jahren jeden Samstag in der Firma verbrachte. Nach seiner Pensionierung beschäftigte ihn die Frage, was mit all den Unterlagen und Objekten über die Von Roll geschehen soll: «Mir schwebte ein Museum im Kanton Solothurn vor. Doch leider bekam ich nicht die nötige Unterstützung, weswegen einige Alt-Von-Rollianer und ich einfirmeninternes Museum in Choindez (JU) gründeten und dort die vielen gesammelten Unterlagen und Teile einlagerten», so Sägesser, der sich von der Ausstellung des Historischen Museums begeistert zeigt. «Vielleicht besteht nun doch noch die Möglichkeit mit Hilfe von Kanton, Stadt Solothurn, Stadt Olten und eventuell mit neuem Besitzer, ein Von Roll-Museum zu gründen und somit ein wichtiges Stück Schweizer Metallindustriegeschichte zu erhalten», hofft der92-Jährige.

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