Gehr sorgte für rote Köpfe
Kunstmuseum Olten Am Dienstag, 31. Januar, um 19.15 Uhr findet anlässlich der aktuellen Ausstellung über Ferdinand Gehr ein Gespräch über den umstrittenen Ostschweizer Künstler im Kunstmuseum Olten statt.
Wer sass nicht schon in der Oltner Marienkirche und betrachtete die Malerei im Altarraum. Nicht nur der moderne Kirchenbau des Architekten Hermann Baur gab 1952 zu reden, auch die damals sehr provokante Kirchenmalerei des Ostschweizer Künstlers Ferdinand Gehr sorgte für rote Köpfe sowie mediales Aufsehen und lockte gleichzeitig viele Interessierte nach Olten. In der Ausstellung über Gehr legt das Team des Kunstmuseums Olten den Fokus auf dessen Kunst am Bau-Projekte. Diese waren aus naheliegenden Gründen bisher noch nie in einer Ausstellung zu sehen: Wie soll Kunst am Bau, die im Fall Gehrs insbesondere in Kirchen oder Schulhäusern begutachtet werden kann, in einem Museum zugänglich gemacht werden? «Wir wollten als Kunst-Institution keine fotografische Ausstellung zeigen, da aber Gehr viele Gemäldeentwürfe und Modelle angefertigt hat, gab uns dies eine Grundlage, um seine Kunst zeigen zu können», erzählt Museumsdirektorin Dorothee Messmer. Ergänzt wird die Ausstellung mit Infotafeln, die auf das Buch «Ferdinand Gehr - Die öffentlichen Aufträge» verweisen, das vom Kunstmuseum Olten erarbeitet wurde. Das Werk liefert im Bildteil Grundrisse, fotografische Aussenansichten und Innenansichten von 22 ausgewählten Projekten in der Schweiz, Deutschland und Portugal. Zusätzlich wurden alle Kunst am Bau-Standorte im In- und Ausland in einem Werkverzeichnis zusammengetragen. Diese sind anhand des Links (siehe Website Kunstmuseum Olten) allesamt auf der Google Maps-Plattform ersichtlich.
Unheimliche Geschichten
Aber nicht nur mit Gehrs Kunst am Bau in der Marienkirche wird ein Oltner Bezug zur Ausstellung geschaffen, auch Museumsdirektorin Dorothee Messmer schlägt eine Brücke von ihrem Geburts- zu ihrem heutigen Wirkungsort. «Ich bin in St. Gallen - St. Georgen aufgewachsen und habe dort die Kirche Herz-Jesu besucht, die von Gehr ausgemalt worden war», erzählt Messmer. Die Kirche St. Georgen war Gehrs erstes Kunst-am-Bau-Projekt und bereits damals zeigte sich, dass die Zeit für Gehr noch nicht reif war. Er hatte bereits Decke, Seitenwände sowie die linke und rechte Seite der Chorwand bemalt, als die weitere Ausführung der grossen Chorwand aus finanziellen Gründen aufgeschoben wurde. Erst 20 Jahre später, nach dem Tod des Architekten Johannes Scheier, wurde trotz vertraglicher Zusicherung die weitere Ausgestaltung mit einem Wettbewerb ausgeschrieben. Obwohl sich auch Gehr um den Auftrag bemühte, bekam schliesslich der Künstler Hans Stocker den Zuschlag, was zur Folge hatte, dass die Seitenwände sowie die Wände bei der Chorwand übermalt wurden. Erst 1994 wurden die Engel an den Seitenwänden des Chorraums wieder sichtbar gemacht. «Zu meiner Zeit waren die Engel noch übermalt, aber schimmerten teilweise hindurch, was einen etwas unheimlichen und gespenstischen Eindruck hinterliess», erinnert sich Dorothee Messmer lachend.
Unter Beschuss
Dieses Erlebnis in St. Georgen sollte jedoch nicht die einzige Enttäuschung für den ausgebildeten Stickereizeichner bleiben. Obwohl die Architekten gerne mit dem Ostschweizer Maler arbeiteten, sein Vorstellungsvermögen und sein Einfühlen in den Bau lobten, war der sehr spirituelle und gläubige Künstler seiner Zeit voraus. «Gehr sah sich der Avantgarde zugehörig, war aber zugleich ein tiefreligiöser Mensch», zeigt Messmer auf. Von der Kunstszene wurde er als zu konservativ und vom Kirchenpublikum als viel zu modern wahrgenommen. Ein Dilemma, dem der schweizweit bekannte Künstler nicht entkommen konnte, malte er doch stets, was ihm entsprach. Als Hermann Baur, der Architekt der Marienkirche, 1952 Gehr als Künstler für die Ausgestaltung vorschlug, warf das Ergebnis hohe Wellen. Der «kindliche Zeichnungsstil» wurde bemängelt und schockierte. Doch zur Eskalation führte der Auftrag im aargauischen Wettingen zwei Jahre später. Der Bischof weigerte sich, aufgrund des abstrakt gemalten Altarbildes, die Kirche zu weihen, weshalb es mit einem Vorhang verdeckt und später zerstört wurde. 1960 ersetzte Gehr das Altarbild durch eine neue Version. Im gleichen Jahr brachte die Komplettausgestaltung der Kirche Bruderklaus in Oberwil bei Zug das Fass zum Überlaufen. Gehr malte Christus auf Augenhöhe des Volkes, was zu dieser Zeit nicht akzeptiert wurde. Während seiner Arbeit von 1957 bis 1960 protestierte die Kirchgemeinde gegen den Künstler. Schliesslich wurde beschlossen, dass Gehr zwar die Kirche fertig ausmalen könne, sein Werk jedoch während fünf Jahren mit Tüchern verhängt werden solle. Nach Ablauf dieser Frist müsse neu darüber entschieden werden. 1966 stimmte die Kirch- gemeinde für die Entfernung der Tücher und die Erhaltung der Bilder. Trotz des teilweise heftigen Gegenwindes konnte Gehr im Bereich der Malerei insgesamt über 60 Kunst-am-Bau-Projekte erstellen. Nebst seiner Tätigkeit als Kunstmaler war er aber auch als Entwerfer für Prozessions- und Vereinsfahnen sowie im Bereich der Glasfensterbemalung in öffentlichen Gebäuden sehr beliebt.
Lücke geschlossen
Mit der Ausstellung, die Gehrs malerisches Wirken im öffentlichen Raum zeigt, schliesst das Kunstmuseum Olten eine noch kaum bearbeitete Lücke in Gehrs Schaffen. Gleichzeitig zeigt diese auch die Entwicklung des Kirchenbaus auf. Während früher der Chorraum von den Kirchen- gängern weggewandt war, wird seit dem zweiten vatikanischen Konzil in den 1960er-Jahren das Volk als Teil des Ganzen in der Kirche eingebettet. «Ausserdem soll die Ausstellung, in einer Zeit in der vielerorts darüber diskutiert wird, was mit älteren Kunst am Bau-Projekten geschehen soll, sensibilisieren», betont Messmer. Über Gehr und sein «Bauen an der Kunst» spricht Dorothee Messmer am Dienstag, 31. Januar, um 19.15 Uhr mit den Architekten Marco Bakker, Matthias Kissling und Roland Züger. Die Ausstellung über Gehr ist noch bis am Sonntag, 26. Februar, im Kunstmuseum Olten zu sehen.
Informationen
Ferdinand Gehr - Bauen an der Kunst
Ausstellung bis Sonntag, 26. Februar
Kunstmuseum Olten
Link zu Google Maps: <link https: www.google.com maps d>www.google.com/maps/d/viewer
Spezielle Veranstaltungen:
Dienstag, 31. Januar, 19.15 Uhr
«Reden über Gehr I», Dorothee Messmer im Gespräch mit den Architekten Marco Bakker, Matthias Kissling und Roland Züger
Mittwoch, 8. Februar, 14 bis 18 Uhr
Exkursion zu den drei Kirchen in
Niedererlinsbach, Däniken und Olten
Dienstag, 21. Februar, 19.15 Uhr
«Reden über Gehr II», Dorothee Messmer im Gespräch mit Gehrs Tochter Franziska Gehr, dem Künstler Roman Candio und dem ehemaligen Kunstmuseumsdirektor Peter Killer
Mehr Veranstaltungen unter:
<link http: www.kunstmuseumolten.ch>www.kunstmuseumolten.ch