Harte Zeiten für böse Buben
Interkantonale - Polizeischule Hitzkirch Zwei Polizeianwärter der Stadtpolizei Olten absolvieren zurzeit ihre Ausbildung an der Interkantonalen Polizeischule in Hitz- kirch. Der Stadtanzeiger hat sie im Luzernischen besucht.
Donnerstag, 8.30 Uhr vor dem Polizei-Trainingszentrum Aabach. Das Gebäude ist abgeriegelt - für Unbefugte kein Zutritt. Im beschaulichen Hitzkirch im Kanton Luzern wimmelt es seit 2007 von Polizisten. Damals wurde die Interkantonale Polizeischule mit einem Trainingszentrum, zwei Ausbildungsgebäuden, einer Kommende, dem Campus-Gebäude für die theoretische Schulung und einem Seminarhotel ins Leben gerufen. Matthias Jurt, Leiter Aus- und Weiterbildung und Mitglied der Geschäftsleitung, war bereits 2003 Mitglied des Projektteams für deren Neugestaltung. Die Polizeischule in Hitzkirch wurde mit dem Ziel, die verschiedenen Polizei-Ausbildungszentren der Schweiz auf fünf zu beschränken, ins Leben gerufen. «Dieses Ziel wurde bisher nicht erreicht, da sich die Westschweizer Kantone noch nicht auf einen Standort einigen konnten», erklärt Jurt. Neben der Polizeischule in Hitzkirch bestehen Ausbildungszentren in der Ostschweiz und im Tessin. Zudem führen Stadt und Kanton Zürich zusammen mit Winterthur eine Polizeischule und in der Romandie sind es drei Ausbildungszentren.
Vielschichtiger Stundenplan
Matthias Jurt, der 1994 die Polizeischule absolviert hat und lange Zeit bei der Kantonspolizei Luzern arbeitete, führt mich durch das weitläufige Gebäude. Im hauseigenen Dojo wird bereits seit 7.35 Uhr trainiert. Die angehenden Polizisten aus allen Bereichen der Polizeiarbeit (Kantons-, Stadt- und Gemeindepolizei) üben im Fach Eigenschutz die Festnahmetechnik. Die Gruppe lernt ausserdem selbstbewusstes Auftreten, situationsgerechte Kommunikation und wie wichtig es ist, stets die Übersicht zu behalten. Mit routiniertem Griff wirft Polizeianwärter Patrick Sucur seine Kollegin auf die Matte. Der 36-Jährige war zehn Jahre beim Sicherheitsdienst tätig, hegte jedoch stets den Wunsch bei der Polizei zu arbeiten. Seine bisherige Tätigkeit könne jedoch nicht mit den Aufgaben des Polizisten verglichen werden, erklärt Sucur. «Bis anhin habe ich im Privatsektor gearbeitet, der Polizist ist jedoch im öffentlichen Auftrag tätig», betont der zweifache Familienvater. Im September haben die Polizeianwärter des Stadtpolizeikorps Olten, Patrick Sucur und Steve Ruggli, die Ausbildung zum Polizisten begonnen. «Es war ein intensives, halbes Jahr, in welchem es galt sehr viel theoretisches und praktisches Wissen zu verarbeiten», erklärt Sucur.
Bis an die Belastungsgrenze
Wir verlassen das Dojo und werfen einen Blick in den Schiessraum, bevor die nächste Gruppe ihr Schiesstraining absolviert. «Heute steht das Belastungsschiessen auf dem Programm», erklärt Matthias Jurt mit Blick auf die Anzeigetafel. Dabei wird zum Beispiel durch Sprints der Puls in die Höhe getrieben und danach das konzentrierte Schiessen trainiert. Wir verlassen den Schiessraum und begeben uns Richtung Haupteingang. In einer Reihe hängen die Stundenpläne: Neben Eigenschutz stehen Fächer wie Polizeitaktik, Deutsch, Menschenrechte, aktuelles Zeitgeschehen, Sport- und Ausdauertraining, Psychologie, Strafprozess- und Strassenverkehrsrecht, Schiessen, Sexualstraftaten und Milieu und die sanitätsdienstliche Ausbildung auf demProgramm. Eine geballte Ladung Wissen, welche auf die Polizeianwärter einprasselt: 1360 Lektionen innerhalb von zehn Monaten. Jeweils im April und im September starten Polizeianwärter ihre Ausbildung. Diese ist in drei Teile gegliedert. Zuerst absolvieren die angehenden Polizisten eine zwölfwöchige Basisausbildung, verbringen dann sieben Tage in ihrem Korps, um einen Einblick in den Polizistenalltag zu erhalten und kehren danach für die fünfzehnwöchige Vertiefungsausbildung zurück an die Interkantonale Polizeischule in Hitzkirch.
Realitätsnahes Training
Im hinteren Bereich des Gebäudes betreten wir das Übungsgelände. In diesem Bereich sind strikte Sicherheitsmassnahmen einzuhalten. Matthias Jurt schliesst seine Waffe ein, ich ziehe mir eine Leuchtweste über und setze eine Sicherheitsbrille auf. «Auf dem Übungsgelände wird mit FX-Patronen, einem Übungsmunitionstyp mit Farbprojektilen, geschossen, deshalb ist die Sicherheitsbrille Pflicht. Damit keine Verwechslung mit echter Munition geschehen kann, müssen die Waffen am Eingang eingeschlossen werden», erklärt Jurt. Auf dem Übungsgelände befindet sich eine Bank, eine Tankstelle, ein Einfamilien- und ein Mehrfamilienhaus in voller Grösse. «Die Gebäude sind alle mit Möbeln ausgestattet», erklärt Jurt und fügt scherzend an: «Mit geringen Komfortansprüchen könnten die Gebäude allesamt bewohnt werden.» Wer nun verständnislos seinen Kopf ob solchem Aufwand schüttelt, dem wird erklärt: «Als ich die Ausbildung zum Polizisten absolviert habe, gab es solche Trainingsplätze noch nicht. Da wurde der Satz ‹stellt euch vor...› oft gesagt», erzählt Jurt. Heute können Polizeianwärter eine Situation realitätsnah erleben. Es ist eine Sache einen Täter in einem Raum ohne jegliche Gegenstände festzunehmen, eine ganz andere stellt sich dar, wenn Gegenstände im Weg stehen oder ein Bügeleisen plötzlich als Waffe eingesetzt wird. Die Normgrösse einer Klasse zählt 24 Auszubildende. Im praktischen Unterricht werden diese meist in 8er-Gruppen eingeteilt. Die Polizeianwärter trainieren das Verhalten bei einem Überfall oder Einbruch, aber auch taktische Manöver. «Die angehenden Polizisten müssen sich zu Beginn ihrer Ausbildung zuerst an ihre Uniform und deren Aussenwirkung gewöhnen», so Jurt. Der Beruf des Polizisten sei durch die neue eidg. Strafprozessordnungen komplexer geworden, zudem habe die Gewaltbereitschaft gegen Polizisten stetig zugenommen.
Weitläufiges Ausbildungsgelände
Während Steve Ruggli und Patrick Sucur ihr Schiesstraining absolvieren, fahren wir auf die gegenüberliegende Dorfseite. Ein altes Haus mit ehemaliger Getränkehalle, neben der Pfarrkirche St. Pankratius, wurde ebenfalls für realitätsnahe Übungen umgestaltet. So stellen eine Bar, eine Bushaltestelle und ein Hinterhof mögliche Konfliktorte dar. Rechts der Kirche befindet sich die Kommende und im ehemaligen Lehrerseminarzentrum findet nun die theoretische Ausbildung statt. Daneben bietet das Seminarhotel einerseits weit angereisten Instruktoren eine Schlafmöglichkeit, andererseits werden die Hotelzimmer auch an externe Personen vermietet. «Die Interkantonale Polizeischule finanziert sich durch die Einnahmen der11 Konkordatskantone, doch rund ein Viertel der Kosten müssen selbst erwirtschaftet werden. Somit sind wir auf die Vermietung der Seminarräume und Hotelzimmer angewiesen», erklärt Jurt.
Eidgenössische Berufsprüfung
Zurück im TrainingszentrumAabach herrscht Aufbruchstimmung. Die Polizisten stehen ständig unter Druck. In kurzen Pausen gilt es, das Material ordnungsgemäss wegzuräumen und sich je nach Stundenplan auf die andere Dorfseite zu verschieben. «Das Verschieben mit Gepäck ist zwar anstrengend, trainiert jedoch das vorausblickende Handeln», betont Jurt, denn im Ernstfall könnte es böse enden, wenn ein Polizist seine Ausrüstung vergesse.
Vor dem Haupteingang treffe ich auf den 24-jährigen Steve Ruggli. Der gelernte Automechaniker suchte nach seiner militärischen Laufbahn eine neue Herausforderung. «Die Interkantonale Polizeischule bietet eine Ausbildung auf hohem Niveau», ist er überzeugt. Sowohl Ruggli, als auch Sucur betonen, sie seien sehr gut im Polizeikorps Olten aufgenommen worden. Die Polizeiaspiranten werden im Juli ihre eidg. Berufsprüfung absolvieren. Der Stadtanzeiger wünscht den Beiden viel Glück für ihre weitere Ausbildung und einen erfolgreichenAbschluss.