Wo Kinder lernen Nein zu sagen
Kinderparcours Seit Montag besuchen täglich drei Schulklassen den Kinderparcours in der Aula der Primarschule Säli. Der Stadtanzeiger hat mit Patricia Flammer, Fachstelle Kinderschutz, und Beatrice Frey, Schulleiterin Bifang, ebenfalls einen Parcoursrundgang gemacht.

In der Aula der Primarschule Säli befindet sich noch bis Mittwoch,20. November der Kinderparcours «Mein Körper gehört mir!» der Fachstelle Kinderschutz Kanton Solothurn. Der Kinderparcours wurde in Deutschland entwickelt und drei Jahre lang, bis 2008, von verschiedenen Kantonen als Pilotprojekt getestet. Auch der Kanton Solothurn beteiligte sich an dieser Testphase. «Der Kinderparcours wurde anschliessend von den beiden Basler Halbkantonen gekauft. Wir dürfen ihn während acht Wochen im Jahr mieten, doch die Nachfrage seitens der Schulen wäre noch grösser. Der Betrieb des Parcours kostet für eine Woche 8000 Franken», erklärt Patricia Flammer, Co-Leiterin der Fachstelle Kinderschutz Kanton Solothurn. Der Parcours kann den Schulen dank der Unterstützung durch den Lotteriefonds und den Kanton kostenlos angeboten werden.
40’000 Opfer jährlich
Gemäss einer Schätzung der Stiftung Kinderschutz Schweiz werden in der Schweiz jährlich 40’000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 1 bis 16 Jahren Opfer von sexueller Gewalt. Eine beängstigende Zahl, welcher die Fachstelle Kinderschutz mithilfe der Schulen mit verschiedenen Projekten versucht entgegen zu wirken. Eines dieser Projekte ist der Kinderparcours «Mein Körper gehört mir!», welcher bereits zum dritten Mal in Olten durchgeführt wird. Die Klassen werden in drei Gruppen eingeteilt, wenn möglich Mädchen und Knaben getrennt. Je ein Moderator oder eine Moderatorin begleiten die Gruppen durch den Parcours und führen diese einfühlsam an die Themen heran. «Die Schulsozialarbeiter in Olten haben, wie die Moderatoren, einen halbtägigen Kurs besucht, um den Parcours begleiten zu lernen», erklärt Flammer. «Die Teilnahme am Parcours ist für Lehrer verbindlich und ein wichtiges Thema», fügt Beatrice Frey, Schulleiterin Bifang, an. In Olten absolvieren in den rund eineinhalb Wochen 380 Oltner Schulkinder den Parcours. Jede Klasse muss sich dafür 90 Minuten Zeit einplanen. Den Lehrpersonen wird zudem eine Arbeitsmappe zur Verfügung gestellt, mit welcher sie Themen des Parcours nochmals vertiefen können.
Sensibilisiertes Entdecken
An sechs verschiedenen Posten werden die Kinder sensibilisiert und in spielerischer Weise unterstützt, ihrem unangenehmen Gefühl zu vertrauen und es zu benennen. «Die spielerische Art hilft die Kinder auch an heikle Themen heranzuführen, ohne sie zu verängstigen», betont Flammer. «Da es für uns wichtig ist, nicht die Kinder in die Verantwortung zu nehmen, sondern die Erwachsenen, findet vor der Durchführung des Parcours ein Lehrerinfoanlass und jeweils ein Elternabend statt», erklärt Flammer weiter. «Beim Elternabend vor drei Jahren reichte die Aula als Durchführungsort aus, am Elternabend vom vergangenen Montag musste in die Turnhalle eingeladen werden, da sich 170 interessierte Eltern angemeldet haben», erzählt Beatrice Frey begeistert von dem grossen Interesse.
Nein - authentisch, klar und deutlich
An einem Posten benennen die Kinder Körperteile mit den entsprechenden Namen und setzen ein grünes oder ein rotes Magnet, wenn sie an dieser Stelle gerne berührt werden oder nicht. «An diesem Posten wird z.B. sichtbar, dass es das eine Kind mag, wenn man ihm über den Kopf streichelt, ein anderes mag diese Berührung überhaupt nicht. Es ist zudem wichtig, den Kindern den Unterschied zwischen einer angenehmen, schönen Berührung aufzuzeigen, ihnen aber auch zu vermitteln, dass sie unangenehme Berührungen nicht hinnehmen müssen», zeigt Flammer auf. An einem Posten können verschiedene Materialien und Gegenstände ertastet werden, ein anderer behandelt das Thema Geheimnisse. Welche Geheimnisse sind gut und gilt es zu bewahren und welche sollte man anderen anvertrauen. An einem weiteren Posten können bei einem Haus die verschiedenen Türchen zu den jeweiligen Zimmern und Situationen geöffnet werden und die Kinder können mit einem «Smiley» bezeichnen, ob sie diese Situationen als an- oder ungenehm empfinden. Bei einem der letzten Posten gilt es das «Nein sagen» mithilfe eines Lautstärkenmessers zu trainieren und vor dem Spiegel, authentisch, klar und deutlich zu präsentieren. Beim letzten Posten «Ich bin schlau, ich hole mir Hilfe» erarbeiten die Kinder, bei welcher Situation, welche Person zu verständigen ist. Zum Abschluss erhalten die 2. bis 4. Klässler eine Visitenkarte mit nützlichen Informationen und Hilfenummern. An drei Aussenposten geht es um die eigene Wertschätzung. So steht vor einer Kiste die Aufschrift «Hier siehst du das Wertvollste auf der Welt»: Wenn der Deckel geöffnet wird, sieht man das eigene Spiegelbild. Ein Höhepunkt, keine Frage: Jedes Kind darf am Schluss des Parcours auf dem Thron mit der Aufschrift «Du bist wichtig» Platz nehmen. Wer den Parcours selbst erleben möchte, erhält am Mittwoch, 20. November von16 bis 19 Uhr beim öffentlichenBesuchsnachmittag Gelegenheit. Eine Fachperson steht bei Fragen zur Verfügung.