Hilfe, wenn die Sehkraft schwindet

Fokus-plus feiert den Internationalen Tag des weissen Stockes am Donnerstag, 15. Oktober mit einer Aktion am Oltner Bahnhof.

Domenica Griesser, Sozialarbeiterin bei «Fokus-plus», mit ihrem langjährigen Begleiter, dem Labrador Qiu. (Bild: Denise Donatsch)
Domenica Griesser, Sozialarbeiterin bei «Fokus-plus», mit ihrem langjährigen Begleiter, dem Labrador Qiu. (Bild: Denise Donatsch)

Am 15. Oktober wird der internationale Tag des weissen Stockes begangen. Aus diesem Anlass haben wir uns mit Domenica Griesser, Sozialarbeiterin bei der Fachstelle für Sehbehinderte «Fokus-plus» und selbst Betroffene, zum Interview getroffen.

Frau Griesser, «Fokus-plus» ist die Anlaufstelle in Olten für Menschen mit Sehbehinderung. Mit welchen Anliegen kommen die Menschen zu ihnen?

Personen melden sich bei uns, wenn sie aufgrund einer Augenerkrankung ihre Sehkraft soweit verloren haben, dass sie auf Unterstützung angewiesen sind. Als Sozialarbeiterin bin ich zuständig für den Erstkontakt, der dazu dient herauszufinden, wo der Schuh drückt. Viele Menschen, die eine solche Diagnose erhalten, sind auf emotionale Unterstützung angewiesen – dafür bin ebenfalls ich zuständig. Unser oberstes Ziel ist es jedoch, die Betroffenen in ihrer Selbstständigkeit zu bestärken und mit ihnen Wege zu finden, damit sie auch weiterhin ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Unsere Klienten werden deshalb in einem zweiten Schritt auch gleich mit verschiedenen Hilfs-mitteln für Sehbehinderte in Kontakt gebracht, um herauszufinden, welches davon passt. Das Orientierungs- und Mobilitätstraining ist ein weiterer Teil unseres Angebots, das heisst, wir üben mit unseren Klienten auch draussen, sich mit Hilfe des weissen Stocks zurechtzufinden.

Gibt es von «Fokus-Plus» noch weitere Angebote?

Wir bieten praxisorientierte Schulungen für Mitarbeiter im Gesundheitsbereich und überall dort an, wo Bedarf besteht. Ein weiteres Angebot ist unser Kursprogramm, mit diversen Anlässen für Betroffene und deren Angehörige. Zusätzlich organisieren wir öffentliche Referate mit Dr. med. Alex Heuberger, die auch für die breite Bevölkerung zugänglich sind. Wer sich ausführlicher zu diesen Themen informieren möchte findet auf unserer Webseite weitere Informationen.

Gibt es im Zusammenhang mit Corona besondere Herausforderungen?

Probleme bereitet den sehbehinderten Menschen insbesondere das «physical distancing». Gerade sie sind darauf angewiesen, nicht aus zwei Meter Entfernung angesprochen zu werden, da das verwirrend sein kann. Beim Orientierungs- und Mobilitätstraining gibt es Situationen, wo Körperkontakt nicht vermieden werden kann; manchmal muss jemand einfach geführt werden. Wichtig dabei ist, sich mit Masken zu schützen. Zudem geht man beim Führen leicht hintereinander, womit die Ansteckungsgefahr viel geringer ist, als wenn man sich gegenübersteht. Trotz der aktuellen Situation bieten wir aber das volle Unterstützungsprogramm an, selbstverständlich immer mit Schutzkonzept.

Wo stossen sehbehinderte Menschen in der heutigen Zeit trotz guter Betreuung noch an Grenzen?

Ein nach wie vor grosses Problem stellt die Arbeitssituation dar. Obwohl viele sehbehinderte Menschen problemlos ein universitäres Studium abschliessen oder erfolgreich eine Lehre absolvieren, finden sie anschliessend keinen Arbeitsplatz, weil die Privatwirtschaft noch immer in nur kleinem Masse gewillt ist, auch behinderte Menschen anzustellen. Dabei würden viele Firmen sogar davon profitieren; so ist beispielsweise der Arbeitsplatz einer sehbehinderten Person niemals unaufgeräumt, da es sich diese Menschen gewohnt sind, dass ihnen eine ordentliche Umgebung hilft sich zu orientieren. Ausserdem sind die meisten sehr gewissenhafte und treue Angestellte, da sie es mögen, sich in einer gleichbleibenden Umgebung aufzuhalten. Hier besteht also definitiv Handlungsbedarf, auch auf Seiten der Politik. Es wird zwar oft und gern von Inklusion gesprochen, in der Realität ist davon aber leider noch herzlich wenig zu sehen.

Sie selbst haben einen Blindenführhund. Was genau sind seine Aufgaben, wenn sie unterwegs sind?

Qiu, so heisst er, ist dafür zuständig, Hindernisse zu erkennen und sie mit mir zu umgehen oder mir anzuzeigen, dass ein solches vor mir liegt. Er bleibt beispielsweise vor einer Treppe stehen. So kann ich mir dann mit Hilfe des weissen Stockes ein Bild davon machen und adäquat darauf reagieren. Die Führung habe aber jederzeit ich in der Hand.

Am 15. Oktober ist internationaler Tag des weissen Stockes. Wird es trotz Corona Aktionen geben?

Ja, am Oltner Bahnhof wird unsere Fachstelle «Fokus-plus» mit betroffenen Menschen von 10 bis 12 Uhr weisse Rosen und Flyer verteilen, um die nicht sehbehinderten Menschen für unsere Anliegen zu sensibilisieren. Das Motto in diesem Jahr lautet «Freie Leitlinien – sichere Orientierung». Für Sehbehinderte sind diese weissen Leitlinien eine wichtige Orientierungshilfe, sie werden aber leider sehr oft durch Gepäck oder anderes verstellt, was uns das Leben unnötig schwer macht. Da wir auf ein Miteinander angewiesen sind, hoffen wir durch diese Aktion in Zukunft auf mehr Rücksicht und Verständnis für unsere Anliegen.

Frau Griesser, vielen Dank für das Gespräch.


Fokus-plus - Fachstelle Sehbehinderung
Baslerstrasse 66
4600 Olten
T 062 212 77 20

www.fokus-plus.ch

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