«Am Wohnen verdienen ist unfair»

Wohnbaugenossenschaften: Der Regionalverband der Wohnbaugenossenschaften Bern Solothurn wird hundert Jahre alt. Zum Jubiläum soll ein Podiumsgespräch am Donnerstag, 12. März im Oltner Hotel Arte die Suche nach neuen Wohnformen anstossen.

Laden zum Austausch über das Wohnen ein: Raphael Schär-Sommer (l.), Vorstand des Vereins LeONa, und Lukas Nussbaumer, Präsident der EBGO. (Bild: Franz Beidler)
Laden zum Austausch über das Wohnen ein: Raphael Schär-Sommer (l.), Vorstand des Vereins LeONa, und Lukas Nussbaumer, Präsident der EBGO. (Bild: Franz Beidler)

Auf grüner Wiese, neben einem Bahngleis oder am See, auf irgendeine Art tun es alle: Wohnen. Zwangsläufig müssen sich alle für das Thema interessieren. Entsprechend oft werden Mietpreise hitzig diskutiert, so auch vor hundert Jahren. Wegen der Teuerung nach dem Ersten Weltkrieg schossen die Mieten in die Höhe. Um der verarmenden Bevölkerung Obdach erschwinglich zu machen, wurde am 20. September 1919 in Olten der «Schweizerische Verband zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus» gegründet, der heutige Dachverband «Wohnbaugenossenschaften Schweiz». Ein Jahr später, 1920 folgte die Gründung des Regionalverbands Bern Solothurn. Sein hundertjähriges Bestehen feiert dieser während des ganzen Jahres mit Führungen durch Siedlungen der angehörenden Genossenschaften und Podiumsgesprächen in beiden Kantonen. So auch am kommenden Donnerstag, 12. März im Oltner Hotel Arte: Unter dem Motto «Fair wohnen: gestern - heute - morgen» lädt der Regionalverband zusammen mit der Eisenbahner Baugenossenschaft Olten (EBGO) und dem Verein Lebendige Oltner Nachbarschaft (LeONa) zum Podiumsgespräch und zwei Kurzfilmen ein. «Wir suchen den Ideenaustausch», bestätigen Raphael Schär-Sommer, Vorstand von LeONa, und Lukas Nussbaumer, Präsident der EBGO. Die beiden sind sich einig: Die Wohnbaugenossenschaften der Region Olten sind zu wenig vernetzt und beschränken sich zu oft darauf, das zu verwalten, was da ist, anstatt nach neuen Wohnformen zu suchen. «Zudem wissen die Leute zu wenig über genossenschaftliches Wohnen», bestätigen beide. Vielerorts laste dem Begriff noch immer ein haschischgetränkter Hauch von Hippiekommune an. Dabei wurde zum Beispiel die EBGO, wie der Name verrät, von Eisenbahnarbeitern gegründet. In deren ersten Wohnungen lebten zu Beginn der 1960er-Jahre manche Familien mit vier Kindern in vier Zimmern. Für freie Liebe und Drogenexperimente blieb da kein Platz mehr übrig.

Kurzfilm mit Erinnerungen als Rückblick

Einblick in dieses Oltner Milieu geben am Podium die beiden Kurzfilme. «In den Archiven der EBGO lagerten Bilder vom ersten Bau der Genossenschaft an der Pestalozzistrasse», erzählt Präsident Nussbaumer. Kurzerhand schnitt er die Bilder zu einem Film zusammen, den er im vergangenen Sommer den Mitgliedern der EBGO vorführte. Später berichtete Nussbaumer dem Bereichsleiter Weiterbildung bei Wohnbaugenossenschaften Schweiz Franz Horvath vom gelungenen Anlass. «Er schlug vor, den Film zum Jubiläum des Regionalverbands zu zeigen.» Beide empfanden eine blosse Filmvorführung dem Jubiläum als nicht würdig. So wurde die Idee des Podiums geboren. Dafür fragten sie den heute 90-jährigen Ernst Stooss an, lange Zeit Präsident der EBGO und Erstbezüger an der Speiserstrasse, dem zweiten Bau der Genossenschaft. Dieser bat darum, am Anlass nicht öffentlich sprechen zu müssen. Also führte Nussbaumer ein Interview. Daraus entstand der zweite Kurzfilm, der dank Stooss Kommentaren Einblick in die damalige Lebenswelt gibt. «Stooss wird dem Anlass im Publikum beiwohnen», freut sich Nussbaumer.

Kostenmiete anstatt Profit

Damals wie heute ist das grösste Anliegen der Wohnbaugenossenschaften ein angemessener Mietzins. «Wir pflegen den Grundsatz der Kostenmiete», erklärt Schär-Sommer. «Der Preis besteht nur aus den Unterhaltskosten, niemand schlägt Profit daraus.» Deshalb sei genossenschaftliches Wohnen fair. «Wohnen müssen alle», ergänzt Nussbaumer. «Daran zu verdienen, ist unfair», zieht er den Umkehrschluss. Der Verein LeONa will über diesen Grundsatz hinausgehen. «Wir stellen uns genossenschaftliches Wohnen gesellschaftlich durchmischt vor», erklärt Schär-Sommer. «Alt und Jung, Familien und Kinderlose, Einzelpersonen und Wohngemeinschaften», zählt er auf. Zudem ist es LeONa wichtig, dass Nachbarschaft auch Gemeinschaft bedeutet. Das ist kein neuer Gedanke, wie die Geschichte der EBGO zeigt: Bis Ende der 90er-Jahre wurden deren Wohnungen ausschliesslich an SBB-Angestellte vermietet. Die Bähnler kannten sich von der Arbeit, viele waren befreundet. LeONa will dies vor allem mit baulichen Massnahmen erreichen: zum Beispiel mit sogenannten Clusterwohnungen. «Das sind private Zimmer mit Toilette und Teeküche, die um zentrale Gemeinschaftsräume angeordnet sind», erklärt Schär-Sommer eine der Ideen, die der Verein am Podium zur Diskussion stellt.

Raumplaner diskutiert mit

Mit Schär-Sommer und Nussbaumer wird sich am Podium Thomas Zahnd unterhalten, Raumplaner und Vorstand einer Genossenschaft aus Biel (BE). Horvath wird den Anlass moderieren. Dass neue Wohnformen gefunden werden müssen, davon sind sowohl Nussbaumer als auch Schär-Sommer überzeugt. «Ewig kann sich Olten nicht in die Breite ausdehnen», geben sie zu bedenken. «Deshalb sind am Podium alle herzlich eingeladen, die sich für das Thema Wohnen interessieren.» Zwangsläufig sind damit alle gemeint.

«Fair wohnen: gestern - heute - morgen»
Kurzfilm und Podium zu hundert Jahre Wohnbaugenossenschaften Bern Solothurn
Donnerstag, 12. März, 19 bis 20.30 Uhr, anschliessend Apéro
Hotel Arte, Riggenbachstr. 10, Olten

www.ebgo.ch

www.leona-olten.ch

www.wbg-beso.ch

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