Austausch mit Gleichbetroffenen
Fragile AG/SO, der Verein für Menschen mit Hirnverletzungen und Angehörige, hat vor zwei Jahren eine Oltner Selbsthilfegruppe für Be-troffene ins Leben gerufen. Gruppen- initiantin Sabrina Caso erlitt eine Hirnblutung und suchte den Austausch mit Gleichbetroffenen.

Vier Jahre sei es nun her, als sie während des Schwimmens plötzlich Übelkeit und enorme Kopfschmerzen übermannten. «Ich dachte mir nichtsweiteres dabei, vor allem da ich ein Migränen-Kind war», erinnert sich die heute 28-jährige Wolfwilerin Sabrina Caso an den Tag zurück, der ihr Leben für immer verändern sollte. Nach zwei Hausarztbesuchen, bei denen falsche Diagnosen gestellt wurden, bemerkte ihr Vater während eines Telefonats das Lallen seiner Tochter. Danach ging alles sehr schnell. Beim Besuch im Notfallzentrum KSO entdeckten die Ärzte das viele Blut im Hirn der damals 24-Jährigen. Diagnose: Ein geplatztes Aneurysma, sprich eine Aussackung einer Hirnarterie, die zur Hirnblutung führte.
Der Start in ein neues Leben
Mehrere operative Eingriffe und sieben Wochen Reha, in denen Sabrina Caso Schritt für Schritt wieder ihre Motorik und ihre Wahrnehmung zurückgewann, folgten. Zudem litt die junge Frau unter einem sogenannten Neglect, einer neurologischen Störung der Aufmerksamkeit, die aufgrund einer halbseitigen Schädigung im Gehirn hervorgerufen wird. «Ich ignorierte meine linke Körperhälfte. Sie war völlig taub», erinnert sie sich zurück. Obwohl die Empfindungen und Bewegungen zurückkamen, musste die heutige Wolfwilerin schnell bemerken, dass sie ihr Leben nicht mehr wie vorher fortführen konnte. Caso versuchte zwar zu ihrem Job bei einer Tele- kommunikations-firma in Olten zurückzukehren, doch ihre Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungs- spannen waren nach wie vor stark eingeschränkt. «Ich konnte im Grossraum Büro schlichtweg keine Ruhe finden, mich nicht konzentrieren und war völlig überfordert.»
«Warum ich?»
Nach einem schrittweisen Wiedereinstieg durch das Zentrum für berufliche Abklärung (ZBA) in Luzern, einige Praktika und gar einer 50%-Festanstellung, ist Sabrina Caso heute zum Schluss gekommen, dass ihr Körper momentan noch nicht in der Lage ist wieder 100%-Leistung erbringen zu können in einem 50%-Pensum. «Dies ist eine zu grosse Belastung, da ich aufgrund meiner Hirnblutung leider sehr schnell erschöpft sowie überlastet bin und unter Stress gar Vorstufen von epileptischen Anfällen erlebe», erzählt die 28-Jährige schweren Herzens. Doch nicht nur beruflich musste die Hirnverletzte praktisch bei Null anfangen, sondern auch gesellschaftlich. «Mein soziales Leben hat enorm gelitten, da ich meist nicht die Kraft hatte, mich länger als eine Stunde mit einer Person zu treffen. Doch trotzdem konnte ich immer auf mein Umfeld zählen», schaut Caso zurück und fügt nachdenklich an: «Ich stellte mir oft die Frage: «Warum ich?»
Austausch mit Gleichbetroffenen
Doch die junge Wolfwilerin steckte den Kopf nicht in den Sand und suchte bewusst den Austausch mit Gleichbetroffenen. «So stiess ich auf den Verein Fragile AG/SO, der sich mit Beratungen, Kursen, Freizeitangeboten und auch Selbsthilfegruppen für Menschen mit Hirnverletzungen und deren Angehörige einsetzt», so Caso. Mittlerweile ist sie selbst Mitglied im Vorstand und hat vor gut zwei Jahren gemeinsam mit Fragile ein monatliches Treffen einer Gruppe für Betroffene in Olten ins Leben gerufen, die von der dipl. Logopädin und Psychotherapeutin Theresa Kuhn geleitet wird. «Menschen mit Hirnverletzungen sollen in unserer Gesprächsrunde einen Ort finden, an dem sie sich verstanden und wohl fühlen», erklärt Theresa Kuhn, Leiterin der Selbsthilfegruppe in Olten. Sie war vor ihrer Pensionierung die Leiterin der logopädischen Abteilung am Kantons- spital Olten. In diesen 13 Jahren sammelte sie zahlreiche Erfahrungen mit Hirnverletzten. «Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit in diesem Bereich kann ich den Betroffenen mit dem nötigen Verständnis und Einfühlungsvermögen begegnen und weiss um ihre vielschichtigen Probleme. In meiner Aufgabe als Mediatorin leite ich die Gruppe und versuche einen Rahmen zu schaffen, in dem die vier bis acht Gesprächsteilnehmer ihre Empfindungen, Erlebnisse, Probleme oder Schwächen mitteilen können. Alles hat Platz, insbesondere auch emotionale Erfahrungen.» Zahlreiche Menschen hätten grosse Schwierigkeiten, den Schritt in eine Selbsthilfegruppe zu wagen. «Erstens ist man verständlicherweise lieber mit Gesunden zusammen und zweitens muss man sich in der Gruppe mit seiner Krankheit auseinandersetzen», erklärt Logopädin Theresa Kuhn und fügt an: «Allerdings bestätigen mir die Betroffenen immer wieder, dass ihnen der Austausch mit Menschen in ähnlichen Lebenssituationen enorm geholfen habe.»
Treffen für junge Hirnverletzte
Da sich in der Selbsthilfegruppe vor allem Menschen mit Hirnverletzungen im mittleren Alter treffen, hat Sabrina Caso in Zusammenarbeit mit der Dachorganisation Fragile Suisse und anderen Betroffenen eine Gruppe für junge Hirnverletzte aus der ganzen Schweiz gegründet. «Einige Male im Jahr unternehmen wir einen Ausflug gemeinsam und tauschen uns dabei aus», so Caso. In beiden Gruppen des Vereins Fragile AG/SO sind neue Mitglieder stets herzlich willkommen. Das nächste Treffen der geleiteten Gesprächsgruppe findet am Montag, 18. April von 14.45 bis 16.15 Uhr im Kantonsspital Olten statt. Ein weiteres Angebot ist die geleitete Angehörigengruppe für junge Erwachsene mit einem hirnverletzten Elternteil/Geschwister in Aarau.