Das Licht in der Dunkelheit

Verfolgt man am Bahnhof
Olten die weissen, gerippten Linien auf dem Trottoir, steht man vor der Eingangstür der Solothurnischen Beratungsstelle für Sehbehinderte (SBS) an der Baslerstrasse 66. Die Leitlinien sind eine von vielen Hilfestellungen, die die Beratungsstelle für Menschen deren Sehfähigkeit beeinträchtigt ist, organisiert.
Letztes Jahr feierte der Verein mit seinen Gästen das 100-jährige Jubiläum. Ins Leben gerufen wurde der Verein durch einen Oltner Augenarzt, der mit seiner Frau, den Erblindeten zur Seite stand. Das Ziel blieb bis heute das gleiche: «Die Förderung aller
Bestrebungen für eine grössere Unabhängigkeit und bessere Integration sowie für eine positive Lebensgestaltung der im Kanton Solothurn wohnhaften Blinden und Sehbehinderten». Der Verein ist finanziell eigenständig, der Kanton bezahlt keinen Rappen.
Professionelle Beratungsstelle
Der Vorstand des Vereins führt seit 1956 in Olten und seit 2001 in Solothurn zwei gleichnamige Beratungsstellen, in welchen sechs Fachkräfte, erblindeten Menschen zur Seite stehen. «Der Leistungsauftrag des Vereinsvorstandes umfasst verschiedene Dienstleistungen: Sozialberatungen, Rehabilitation, Kurse und Leistungen zur Unterstützung der Eingliederung», erklärt die Stellenleiterin Vreni Darwiche.
Das grosse dunkle Loch
«Viele Menschen kommen erst zur Beratungsstelle, wenn sie bereits depressiv und fast erblindet sind», erzählt die Stellenleiterin Darwiche, die in 17 Jahren über 1’000 Dossier bearbeitete. Jeder Mensch, der sein Augenlicht zu verlieren droht, trauert. Die Angestellten der Beratungsstelle begleiten ihre Kundschaft durch die Trauerphase. Danach werden
gemeinsam die passenden Hilfsmittel eruiert: Langstock, Lupe, Lese- und Schreibsystem mit Sprachausgabe für den Computer sowie ein sprechender Wecker sind nur einige davon. In Kursen wie «Orientierung und Mobilität», «Lebenspraktische Fähigkeiten», «Informatik» und «Punktschrift» wird dem Betroffenen die selbstständige Bewältigung des Alltags gelernt.
Schicksalsschläge überwinden
Lucia Kristic verlor einen Teil ihres Augenlichts vor acht Jahren durch eine Krankheit. Als ihr der Arzt sagte, dass es medizinisch gesehen keine Hilfe mehr gebe, wusste die Mutter nicht mehr weiter. Ihr Arzt erzählte ihr von der kantonalen Beratungsstelle mit Hauptsitz in
Olten. «Doch ich dachte, was kann eine Beratungsstelle machen?», erinnert sich Kristic. Nach der schlechten Diagnose folgte bald die Kündigung. «Ich wusste nicht, wie ich weiter leben sollte. Ich konnte nicht einmal eine Strasse überqueren», erinnert sie sich. «Die Menschen der Beratungsstelle haben mir geholfen, das Leben wieder positiv anzugehen.»
«Das Leben ist schön, trotz Krankheit»
Um die geselligen Angelegenheiten sorgen sich der Verein und die Beratungsstelle. Das vielfältige Programm an Tageskursen und die Tandem- und Kontaktgruppen in Olten und Solothurn versprechen Spass und Abwechslung.
Bei den Tageskursen wird mit externen Helfern und freiwilligen Mitarbeitern zusammen gearbeitet, wie beispielsweise mit Museumspädagogen, die für Sehbehinderte die Kunstwerke von grossen Kunstschaffenden erlebbar machen. «Die Farben und Striche werden detailliert erklärt. Teilweise gibt es Bilder zum Ertasten», erklärt die Stellenleiterin Darwiche, weshalb sich Museumsbesuche auch für blinde Menschen lohnen.
Hilfe von Sehenden ist willkommen
Rolf Gschwend war rund 10 Jahre im Vorstand des Vereins SBS und setzte sich aktiv für dessen Anliegen ein. Er erkrankte als achtjähriges Kind an Masern und erblindete kurz darauf. Heute sieht er bei optimalen Lichtverhältnissen 15 Prozent. Gschwend ist Klavier- und Konzertstimmer. «Das Angebot für Sehbehinderte Menschen im Kanton ist dank der Beratungsstelle optimal», so Gschwend. Dank den Hilfsmitteln und den besuchten Kursen des SBS führe er ein selbstständiges Leben. Der 49-jährige Mann hat seinen Haushalt bestens im Griff – er putzt, kocht und wäscht.
Viele Menschen wüssten nicht wie reagieren, wenn er mit dem Langstock käme. «Schön wäre, wenn mich die Sehenden fragen, ob sie helfen können, wenn sie bemerken, dass ich etwas suche», wünscht er sich. Ein Leben ohne die kantonale Beratungsstelle SBS stellt er sich schwierig vor. Denn Fragen und Probleme werden auch in Zukunft regelmässig auftauchen.