Von der Hure bis zur heiligen Maria
Frabina Vergangenen Samstag, 3. Dezember diskutierten vier Männer anlässlich der Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» über Frauen- und Männerbilder in ihren verschiedenen Kulturenim Begegnungszentrum Cultibo.

Rund 25 Personen fanden sich am vergangenen Samstagnachmittag im Begegnungszentrum Cultibo ein, um die Diskussionsrunde «Frauen- und Männerbilder in verschiedenen Kulturen» mitzuverfolgen. Nicht selten waren eigene Lebensgeschichten Anschub für das Interesse, wie der abschliessenden Diskussionsrunde mit dem Publikum zu entnehmen war. Der Anlass wurde von Frabina, der Beratungsstelle für Frauen und Männer in binationalen Beziehungen, in Zusammen- arbeit mit dem Begegnungszentrum Cultibo anlässlich der Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» organisiert. «Die Kampagne soll helfen, Stereotypen aufzulösen, welche zu Gewalt führen können. Daher hat bereits im vergangenen Jahr eine Diskussionsrunde mit Frauen stattgefunden, die von ihren Männer- und Frauenbildern erzählten», erklärte Frabina-Geschäftsstellenleiterin Esther Hubacher. Dieses Jahr wolle man nun die Bühne den Männern überlassen.
Entwicklung braucht Zeit
Esther Hubacher bedauerte, dass sich kein Schweizer Mann für die Diskussionsrunde habe finden lassen, denn auch bei uns würden Rollenbilder noch immer Entscheidungen beeinflussen. Als Beispiel nannte Hubacher die Berufswahl, welche nach wie vor durch Geschlechterrollen geprägt sei. El Badaoui Hafed aus Marokko, wohnhaft in Bern und tätig bei Frabina, kam nach einem zweijährigen Studium in die Schweiz. «Die Frauenbilder in Marokko sind verschieden», hielt Hafed zu Beginn fest. Stark unterscheiden würden sie sich zwischen ländlichen und städtischen Gegenden. Inzwischen gebe es aber auch Frauenorganisationen in Marokko. Tatsache sei jedoch, dass der öffentliche Raum noch immer von Männern besetzt werde. Am Beispiel seiner eigenen Familie wiederlegte er die These, dass Gewalt gegen Frauen durch mangelnde Bildung begründet sei. Der eine Bruder mit geringerem Bildungsstand schlage seine Frau nicht im Gegensatz zum anderen Bruder, der studiert habe, so Hafed. In den vergangenen Jahren sei zwar ein Fortschritt betreffend Frauenrechten zu erkennen, doch noch heute diskutieren Männer darüber, wie viel Recht man einer Frau zugestehen solle. Auch er selbst stosse mit seiner liberalen Haltung zu Hause nicht nur auf positive Reaktionen und werde als Träger der westlichen Brille bezeichnet, zeigte Hafed auf.
Manche kommen mit der gewonnen Freiheit nicht klar
Omar Khattabi, ebenfalls in Marokko geboren, wuchs ab seinem neunten Lebensjahr in Deutschland auf und wohnt heute mit seiner Familie in Olten. Er wurde von seiner Mutter in einer marokkanischen Grossstadt aufgezogen, da sein Vater die meiste Zeit als Gastarbeiter in Deutschland verbrachte. Er sehe, dass sich in den vergangenen zehn Jahren bezüglich Erbrecht, Scheidung und Unterhalt in Marokko einiges verändert habe und die Themen auch permanent diskutiert werden. Es zeichne sich jedoch ab, dass viele mit der gewonnen Freiheit nicht klarkämen, so Khattabi. Die Entwicklung brauche Zeit, da auch Traditionen bestehen und gepflegt werden. Zusätzlich kämen nicht nur positive Einflüsse von beispielsweise Dubai oder Europa ins Land, wie Schönheitsoperationen. «Zwar bin ich der Meinung, dass viele positive Entwicklungen stattgefunden haben und dies beeindruckend ist, aber trotzdem reicht es noch lange nicht aus», so Khattabi abschliessend.
Mehr Aufklärung
Rafael Herrera aus Honduras lebt seit 16 Jahren in der Schweiz und ist juristisch für eine Gewerkschaft tätig sowie Vorstandsmitglied bei Frabina. Das Frauenbild in der karibischen Kultur sei stark geprägt durch die katholische Kirche. Die Frau sei in Honduras einerseits die «Heilige Maria» und andererseits eine «Trophäe», zeigte Herrera auf. Einerseits werde die Frau in der Öffentlichkeit als schwaches Geschlecht dargestellt, habe aber innerhalb der Familie tatsächlich das Sagen. Die Ungleichheit in der Arbeitswelt, die in der westlichen Welt immer wieder diskutiert werde, gebe es hingegen in Honduras nicht. «Wenn eine Frau einen Job macht und ein Mann denselben, dann verdienen beide gleich viel», betonte Herrera. Auch das Stimmrecht für Frauen sei in Honduras eine Selbstverständlichkeit. Herrera verurteilte aber die nicht existierende Aufklärungsarbeit an Schulen und innerhalb der Familien. Diese sei wichtig, um bestehende Rollenbilder zu durchbrechen, aber leider habe die Kirche eine zu grosse Macht, um diesbezüglich eine Entwicklung voranzutreiben.
Männer werden gefördert
Krishnan Navaneetha aus Indien lebt mit seiner Familie in Olten. In seiner Kultur sei der Mann das Oberhaupt, da er das Geld nach Hause bringe. Üblicherweise werde auch deshalb der Fokus auf die Ausbildung der männlichen Familienmitglieder gelegt. Die Frauen hätten hingegen die Aufgabe eine starke Bande innerhalb der Familie zu knüpfen. Zudem bezahlt die Familie der Braut die Mitgift. In Indien sei es auch Tradition, dass mehrere Generationen unter einem Dach zusammen- wohnen.
Achtung und Respekt
Eine Besucherin fügte die Rolle der Hure an, welche wie ein Damoklesschwert über den Frauen schwebe und das Rollenbild in vielen Kulturen nachhaltig präge. Eine weitere Besucherin beleuchtete den Aspekt, dass eine Frau immer die Aufgabe habe, die Ehre zu bewahren, ein Mann jedoch nicht. Nach einer angeregten Diskussion schloss Esther Hubacher mit den Worten, dass Gesetze alleine wohl nicht ausreichen, sondern auch Aufklärungsarbeit nötig sei, um bestehende Rollenbilder aufzuweichen und eine Besucherin fügte an, dass Achtung und Respekt voreinander bereits eine gute Grundlage wäre.
Über Frabina
Die Beratungsstelle Frabina wurde 2000 in Bern gegründet. Seit 2011 besteht eine Leistungs- vereinbarung mit dem Kanton Solothurn. In Olten ist alle zwei Wochen eine persönliche Beratung an der Marktgasse 34 möglich. Insgesamt sind drei Beraterinnen und ein Berater für die Kantone Bern und Solothurn zuständig. Neben der persönlichen Beratung ist täglich von 9 bis 12 Uhr eine telefonische Kurzberatung möglich. Gemäss den finanziellen Möglichkeiten wird ein Unkosten- beitrag verlangt. Das Angebot richtet sich an Paare, bei welchen mindestens eine Person einen Migrationshintergrund hat. Frabina hat den Anspruch einer ganzheitlichen Beratung, die auf möglichst alle Probleme und Fragen, die aufgrund einer binationalen Partnerschaft entstehen können, eingeht: Aufenthaltsbewilligung, Heirat, Arbeitsrecht, Kindererziehung, Trennung, Scheidung, Unterhalt und andere. Frabina versucht, auch bei praktischen Themen Hand zu bieten wie beispielsweise eine Trennungsvereinbarung aufzusetzen. 2015 hat Frabina im Kanton Solothurn 80 Personen beraten. Gespräche werden in sechs verschiedenen Sprachen angeboten.
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