Seit 100 Jahren sozial tätig

Kolpingsfamilie Olten und Umgebung Am Sonntag, 6. September feiert die Kolpingsfamilie Olten ihr 100-jähriges Jubiläum. Ein Blick auf eine soziale Institution, die ihr Schaffen stets der Zeit anpassen muss.

Ein Teil des Vereinsvorstandes der Kolpingsfamilie Olten und Umgebung vor der ersten Vereinsfahne, die im Untergeschoss des Restaurants Kolping hängt (v.l.): Werner Good, Magnus Jäggi und Präsident Bernhard Gloor. (Bild: mim)
Ein Teil des Vereinsvorstandes der Kolpingsfamilie Olten und Umgebung vor der ersten Vereinsfahne, die im Untergeschoss des Restaurants Kolping hängt (v.l.): Werner Good, Magnus Jäggi und Präsident Bernhard Gloor. (Bild: mim)

Anlässlich der Schreibstube haben sich vergangene Woche neben Vereinspräsident Bernhard Gloor auch die Vorstandsmitglieder Werner Good und Magnus Jäggi im Pfarrhaus St. Martin eingefunden. Vor zwei Jahren wurde die Schreibstube ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein kostenloses Angebot, das als Treffpunkt sowie als Lese- und Schreibhilfe dienen soll. Interessierte erhalten Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen, beim Verfassen von Stellenbewerbungen und Lebensläufen oder beim Aufsetzen von Mieterschreiben. «Diese Schreiben behandeln wir vertraulich und speichern deshalb keinen Brief auf dem Computer ab», betont Gloor und fügt schmunzelnd an: «Dies kann ab und an schon mal dazu führen, dass ein Brief zwei Mal geschrieben wird.»

Vom Gesellenverein zur Kolpingsfamilie

Adolph Kolping, geboren 1813 im deutschen Kerpen, war ein Schuhmacher, der später mit seinem Theologiestudium und dem Priesterseminar den kirchlichen Weg einschlug. Der Kaplan und Religionslehrer sah in Köln mit an, wie die Handwerksgesellen, zu denen er einst ebenfalls ge-hörte, von Ort zu Ort zogen, um nach Arbeit zu fragen und sich in ihrer Freizeit dem Alkohol hingaben. 1849 gründete Kolping den Kölner Gesellenverein und weitere sollten folgen. Mit diesen wollte Kolping den jungen Männern ein Zuhause auf Zeit geben und sie ausserdem zu «guten Christen, tüchtigen Berufsmännern, vorbildlichen Familienvätern und verantwortungsbewussten Staatsbürgern» erziehen. Dabei grenzten sich die Gesellenvereine zu den Bruderschaften ab: «Die Bruderschaften sind vorherrschend religiös, der Gesellenverein vorherrschend sozial.» 1854 wurde im sankt-gallischen Rorschach der erste Gesellenverein in der Schweiz gegründet. In Olten sollte Kolpings Sozialwerk jedoch erst viele Jahre später Fuss fassen. Im Mai 1920 wurde der Katholische Gesellenverein Olten (KGVO) ins Leben gerufen und fünf Jahre später die Kolping-Krankenkasse Sektion Olten gegründet. Zudem diente das von der Kirchgemeinde Olten gemietete alte Pfarrhaus neben der Martinskirche bis 1969 als Gesellenhaus. 1957 zog der Gesellenverein Olten an die Ringstrasse 27 um. Die Interessengemeinschaft Gesellenhaus Olten (IGGO), die von den Mitgliedern des KGVO verzinsliches Geld entgegennahm, wurde gegründet. Mit Unterstützung von Stadt und Kanton kaufte die Kolpingsfamilie schliesslich das Haus und baute den Dachstock für weitere sieben Zimmer aus. Nach Vorgabe des Schweizer Kolpingwerks benannte sich der Katholische Gesellenverein Olten in den 1970er-Jahren in Kolpingsfamilie Olten um.

Als Geselle zur Kolpingsfamilie

Wie so viele stiess auch Präsident Bernhard Gloor als Geselle zur Kolpingsfamilie Olten. «Ich kam damals 1970 für meine Ausbildung zum Maschinenschlosser nach Olten und lebte bei einer Tante in Trimbach», erzählt er und fügt schmunzelnd an: «Dass dies nicht lange gut gehen konnte, zeichnete sich schnell ab.» Kollegen empfahlen ihm das Gesellenhaus. Jeder, der drei Monate dort wohnte, wurde angehalten, dem Verein beizutreten. «Und so bin ich nun seit 50 Jahren Mitglied», zuckt Gloor schmunzelnd mit den Achseln und erwähnt die vielen Freundschaften, die seit dieser Zeit bestünden. Seit 1996 haben Nadja und Flavia Müller als Pächterinnen das Restaurant Kolping im Erdgeschoss des Gebäudes an der Ringstrasse 27 übernommen. Nachdem die Nachfrage nach Wohnraum für Gesellen mehr und mehr zurückging, hat schliesslich die Familie Müller das Haus gekauft. 2010 wurde die IGGO aufgelöst. «Mit dem Verkaufserlös des Hauses finanzieren wir noch heute unsere Angebote, auch als Dank an die Stadt, die uns damals beim Hauskauf finanziell unterstützte», erklärt Gloor. «Der Kolpingsfamilie gehört heute somit weder das Haus noch das Restaurant, doch nach wie vor gilt Letzteres als Zuhause des Vereins, denn wir teilen mit den beiden Pächterinnen dasselbe soziale Gedankengut», antwortet Gloor auf die Frage nach der heutigen Verbindung zum Restaurant Kolping.

Segel setzen für weitere 100 Jahre

Die Kolpingsfamilie Olten und Umgebung zählt rund 120 Mitglieder, wovon ein Drittel aktiv mitwirkt. «Durch ihren Gründer Adolph Kolping ist die Kolpingsfamilie zwar katholisch und in der Pfarrei zu Hause, allerdings handelt es sich heute um einen überkonfessionellen Verein», erklärt Magnus Jäggi, Vorstandsmitglied und Redaktor des Kolping-Bulletins. Seit der Auflösung des Gesellenhauses Mitte der 1980er-Jahre stellt sich für den Verein die Frage, woher neue Mitglieder gewonnen werden können, denn die Überalterung ist eine Tatsache. Seither sucht der Verein stets neue, der Zeit entsprechende Wirkungsfelder. So führte Werner Good während vielen Jahren mithilfe der Kolpingsfamilie Olten das offene Weihnachtsessen durch. «Ich bin durch die Caritas zur Kolpingsfamilie gekommen und fühlte mich durch ihr aktives, soziales Engagement angesprochen», so Good. Neben der Schreibstube, die jeden Dienstag von 18 bis 19.30 Uhr für alle offen steht, bietet die Kolpingsfamilie seit einigen Jahren jeden dritten Mittwoch im Restaurant Kolping ein Mittagessen für alleinstehende Personen zu einem günstigen Preis an. «Dabei servieren keine Profis, sondern Mitglieder mit einem offenen Ohr. Es geht dabei nicht um eine günstige Mahlzeit, sondern um den Austausch», betont Gloor. Die beiden Angebote werden unter den aktuellen Schutzmassnahmen wieder durchgeführt. «Nun gilt es Personen zu finden, die das gleiche soziale Gedankengut leben und daran interessiert sind, mitzuwirken», wirft Gloor einen Blick in die Zukunft.

Jubiläumsfest Kolpingfamilie Olten
Sonntag, 6. September, 9.30 Uhr
Festtagsgottesdienst (Maskenpflicht) mit anschliessendem Apéro riche

www.kolpingsfamilieolten.ch

 

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