Seuchen veränderten das Gesundheitswesen

Vortrag In ihrem gemeinsamen Buch «Von der Seuchenpolizei bis zu Public Health» haben sich Elisabeth Ryter und Brigitte Ruckstuhl eingehend mit dem Thema öffentliche Gesundheit befasst und interessante Erkenntnisse gewonnen.

Die beiden Historikerinnen Elisabeth Ryter (l.) und Brigitte Ruckstuhl werden in ihrem Vortrag am Montag, 21. September im Historischen Museum Olten Einblick in die Bewältigung von Seuchen geben. (Bild: Dieter Biedermann)
Die beiden Historikerinnen Elisabeth Ryter (l.) und Brigitte Ruckstuhl werden in ihrem Vortrag am Montag, 21. September im Historischen Museum Olten Einblick in die Bewältigung von Seuchen geben. (Bild: Dieter Biedermann)

Ausschlaggebend für die historische Aufarbeitung sei das wissenschaftliche Interesse gewesen, so Brigitte Ruckstuhl. «Wir wollten mehr über den gesellschaftlichen und staatlichen Umgang mit Gesundheit und Krankheit erfahren und die Strukturen der öffentlichen Gesundheit besser verstehen.» Heute werde die Gesundheit vornehmlich als individuelles Gut betrachtet. Dies nicht zuletzt, weil in der Medizin seit Ende des zweiten Weltkrieges vermehrt die Kuration beziehungsweise das Bewahren und Behandeln im Vordergrund stehe. Seither habe sich auch die Einstellung durchgesetzt, dass immer mehr Krankheiten und Gebrechen behandelt und geheilt werden können. Gleichzeitig seien aber andere Themen der öffentlichen Gesundheit an den Rand gedrängt worden. «Doch Eigentlich sollte die öffentliche Gesundheit fast alle Aspekte des täglichen Lebens, von der Bildung, über Nahrung bis hin zu Luft- und Wasserverschmutzung umfassen».

Öffentliche Gesundheit im Wandel

Die aktuelle Pandemie habe uns aufgezeigt, dass Epidemien auch bei uns nicht der Vergangenheit angehören und der Mensch verletzlich sei. Brigitte Ruckstuhl meint, dass viele Menschen in der aktuellen Zeit Covid-19 aus einer eher individuellen Perspektive betrachten. «Die Leute erwarten schnelle Lösungen des Problems. Dabei vergessen sie, dass sie selbst Teil der Lösung sind.» Mit Bezug zur aktuellen Situation fügt Ruckstuhl an: «Beim Maskentragen geht es nicht nur um die individuelle Gesundheit, sondern um die Gesundheit von uns allen, denn das Ziel der öffentlichen Gesundheit sollte darin bestehen, dass möglichst alle Leute ein gesundes Leben führen können.»

Keine Verklärung der Vergangenheit

Die Bezeichnung für die öffentliche Gesundheit habe sich über die Jahrhunderte immer wieder geändert, auch weil sich die leitenden Konzepte wandelten. Von der Seuchenpolizei zur Hygiene und Sozialhygiene bis zu Public Health sind die Begriffe ein Abbild des theoretischen und gesellschaftlichen Verständnisses einer öffentlichen Gesundheit. Ruckstuhl und Ryter haben sich für ihre historische Aufarbeitung auf die Zeit seit 1750 beschränkt. In diese Epoche fallen etwa die Aufklärung und die Industrialisierung ebenso wie die Landflucht in die Städte. Mit der Aufklärung habe sich die Einstellung der Menschen zur Gesundheit geändert. Die Gesundheit sei nicht mehr als ein von Gott gegebenes Gut betrachtet worden, sondern als etwas, das man beeinflussen könne.

Von der Vergangenheit in die Zukunft

In ihrem Buch haben sich die Autorinnen bewusst auf einige Schwerpunkte beschränkt, um anhand von bestimmten Themen und Ereignissen aufzuzeigen, wie sich diese auf die öffentliche Gesundheit ausgewirkt haben. Cholera und Typhus hätten beispielsweise viel dazu beigetragen, dass die Städte die Wasserversorgung und die Kanalisation neu konzipierten und einrichteten. Bei Epidemien konnten immer wieder kollektive Verhaltensmuster beobachtet werden, wie etwa die Stadtflucht aufs Land oder die Suche nach Schuldigen. Als Hysterie würde Brigitte Ruckstuhl die aktuelle Situation nicht bezeichnen. Covid-19 sei neu, nicht nur für das Immunsystem, sondern auch für die Gesellschaft, die lernen müsse, damit umzugehen. Die Pandemie habe auch die Sicht der Historikerinnen verändert: «Wenn ich heute Quellen aus dem 19. Jahrhundert lese, habe ich einen anderen Bezug zum Thema als noch vor ein paar Jahren», so Brigitte Ruckstuhl.

Vortrag im Historischen Museum Olten

In ihrem Vortrag am kommenden Montag, 21. September legen Ruckstuhl und Ryter den Fokus auf das 19. Jahrhundert in der Schweiz. Die Herausforderungen, die sich mit der Industrialisierung und  Urbanisierung für die Gesundheit stellten, hätten ein Bewusstsein für die öffentliche Gesundheit geschaffen und zum Aufbau eines eigenständigen Politikbereichs geführt. Prägend für diesen Prozess seien auch die seit den 1830er Jahren auftretenden Choleraepidemien gewesen.


Die Autorinnen

Brigitte Ruckstuhl war lange im Bereich öffentliche Gesundheit tätig.
Sie studierte Geschichte in Zürich und absolvierte danach den Master in
Public Health. Ihre Mitautorin und langjährige Forschungspartnerin
Elisabeth Ryter ist ebenfalls Historikerin. Sie war in verschiedenen
Verwaltungsbereichen tätig und danach freischaffende Evaluatorin. Zusammen
haben sie bereits mehrere Bücher und Artikel zum Thema Gesundheit und
Gesellschaft publiziert.


"Von der Seuchenpolizei zu Public Health" Vortrag von Dr. phil. Brigitte Ruckstuhl und lic. phil. Elisabeth Ryter
Montag, 21. September, 19.30 bis 20.30 Uhr
Historisches Museum, Konradstr. 7, Olten
Eintritt frei

www.hausdermuseen.ch

 

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