«Beim Chrättele erhole ich mich am besten»

Thomas Marbet Der neue Oltner Stadtpräsident sagt im Interview, wie er sich nach knapp fünf Monaten im Amt zurechtfindet, welche Herausforderungen 2022 warten – und er räumt ein, die Work-Life-Balance noch nicht gefunden zu haben.

Thomas Marbet, zuvor Baudirektor, sieht sich als Stadtpräsident mit einer grösseren Vielfalt an Themen konfrontiert. (Bild: AGU)
Thomas Marbet, zuvor Baudirektor, sieht sich als Stadtpräsident mit einer grösseren Vielfalt an Themen konfrontiert. (Bild: AGU)

Herr Marbet, Ihr Vorgänger als Stadtpräsident, Martin Wey, hat im Interview im Stadtanzeiger im Juli erklärt, Sie dürften ihn jederzeit anrufen. Wie oft haben Sie das seit Ihrem Amtsantritt schon getan?

Thomas Marbet: Einige Male. Das kommt immer wieder vor. Wenn ich Fragen habe, nutze ich diese Möglichkeit. Ich sehe ihn auch hin und wieder. Für mich ist dieser Austausch wertvoll, denn es stellen sich immer wieder Fragen bezüglich Erneuerung der Gremien. Ich bin ja nicht nur Stadtpräsident, sondern nehme als solcher auch Einsitz in vier Vorständen und zwei Stiftungen. Da tauchen immer wieder Fragen auf, bei denen ich froh bin, mir seinen Rat anzuhören. Wir hatten in den letzten Monaten mindestens zweimal pro Woche miteinander Kontakt.

Sie sind nun seit Anfang August Oltner Stadtpräsident, seit viereinhalb Monaten. Was hat Sie seither am meisten überrascht?

Es wartet schon eine grosse Vielfalt an Tätigkeiten auf den Stadtpräsidenten. Ich gehöre beispielsweise nun dem Vorstand der Wirtschaftsförderung Region Olten an, bin aber auch Präsident der Stiftung Naturpark Olten SüdWest. In letzterer Rolle habe ich es mit Kröten, Vögel und Bienen zu tun (schmunzelt). Dazu nehme ich Einsitz bei der Stiftung Schloss Wartenfels, bei der es um die Erneuerung des Schlosses und der Gartenanlage geht. Ich gehöre nun auch dem AareLandRat an. Es ist also ein sehr lebendiges Arbeiten, die Aufgaben sind sehr vielseitig. Und man repräsentiert natürlich die Stadt – auch gegen aussen, in der Region.

Was hat Sie am meisten enttäuscht?

(zögert) Was ich bisher nicht auf die Reihe bekomme, ist der Ausgleich neben der Arbeit. Die Work-Life-Balance habe ich noch nicht gefunden (lacht).

Sind Sie bereits stolz auf etwas, was unter oder dank Ihrer Führung gelungen ist?

Ich bin froh, dass wir das Regierungsprogramm im September für die neue Legislatur parat hatten. Wir hatten daran bereits in der alten Legislatur in der Zusammensetzung des neuen Stadtrats gearbeitet. Nach den Sommerferien haben wir es dann finalisiert – und zwar mit einer Perspektive über die vier Jahre hinaus, bis 2029 nämlich. Dieses Programm ist uns meiner Meinung nach gelungen: Es ist detailliert, abgestimmt auf den Finanzplan. Es ist auch im Parlament gut aufgenommen worden. Ich finde, das haben wir gut gemacht.

Sie haben vorher der Stadtregierung als Baudirektor angehört, insofern war es für Sie wohl ein sanfter Wechsel ins Präsidium.

Es war ein sanfter Wechsel, weil man die Aufgabe bereits kennt und ich als Vizepräsident mit dem Präsidenten schon zuvor oft Kontakt hatte. Aber es ist doch auch ein harter Wechsel, weil man das angestammte Berufsfeld aufgibt, eine andere Perspektive einnimmt und die frühere Berufswelt verlässt. Das war für mich durchaus ein bedeutender Einschnitt.

Innerhalb der Stadtverwaltung fühlen Sie sich bestimmt schon gut zurecht.

Ja, auf jeden Fall. Es ist innerhalb des Stadthauses auch nur ein Stockwerk Unterschied. Ich bin jetzt ein Stockwerk aufgestiegen (schmunzelt). Nun habe ich eine andere Perspektive, überblicke die Stadt noch ein wenig besser. Ein gutes Einvernehmen mit der Verwaltung hatte ich vorher schon, die Baudirektion erfüllt oft auch Querschnittsaufgaben. Ich kenne viele Mitarbeitende. Dennoch kommt es hin und wieder vor im Lift, dass ich mich frage, wo diese oder jene Person denn wohl arbeitet. Aber der Wechsel fiel mir einfach. Mein Vorgänger Martin Wey hat es mir auch einfach gemacht, weil ich sein Büro bereits vorzeitig beziehen und mich dort schon ab Juni einrichten durfte.

Ein Stadtpräsident hat markant mehr repräsentative Aufgaben als ein «gewöhnliches» Mitglied des Stadtrates. Mögen Sie diese Termine?

Ich nehme diese Termine gerne wahr, bin auch gerne unter den Leuten. Wenn ich irgendwo ein Grusswort halten darf, mache ich das nach Möglichkeit immer. Aber am Abend ziehe ich mich dann auch gerne zurück.

Neben einem neuen Präsidenten hat der fünfköpfige Oltner Stadtrat auch zwei neue Mitglieder bekommen. Haben alle ihre Rollen im Gremium schon gefunden, harmoniert der Rat?

Meiner Meinung nach tadellos. Alle, sowohl die Neuen als auch die Bisherigen, haben sich sehr gut ins Gremium eingebracht. Auch die Stimmung ist gut.

Der Oltner Stadtrat ist schon länger links dominiert, mit Ihnen ist nun aber erstmals ein Nichtbürgerlicher Stadtpräsident. In welchen Bereichen soll Ihre politische Gesinnung vor allem sichtbar werden?

Jede Person, die in den Stadtrat eintritt, bringt einen Rucksack mit. Aber diesen Rucksack gilt es ein Stück weit abzulegen, weil man für das Ganze Verantwortung trägt. Insbesondere der Präsident, der ja zusätzliche Aufgaben inne hat wie etwa die Repräsentation oder die Führung des Stadtratsgremiums, muss ganz bewusst das Gesamtwohl im Auge behalten. Aber natürlich hat man eine politische Herkunft, ich bin ja auch im Kantonsrat Mitglied der SP-Fraktion. Wer mich kennt, weiss jedoch, dass ich von meinem Naturell her eher moderat wirke und auch eher in der Mitte politisiere.

Sie sind ein rechter SPler.

Ich gehöre wohl nicht dem linksten Flügel an, das lässt sich schon sagen (schmunzelt).

Ein immer wieder leidiges Thema in Olten sind die – fehlenden – Finanzen. Noch hat Olten kein Budget fürs 2022 beschlossen. Über die geplante Steuererhöhung entscheidet nun Mitte Februar die Stimmbürgerschaft.

Grundsätzlich ermöglicht uns ein Budget überhaupt erst die Arbeit. So können wir Aufträge vergeben oder Bestellungen auslösen. Wir machen solche ja nicht für uns, sondern für die Bevölkerung. Ich selbst brauche keine Jugendbücher oder Badieintritte. Wir wünschen uns aber ein Budget, damit wir arbeiten können. Jetzt hat das Parlament das Budget freiwillig der Urnenabstimmung unterstellt. Die derzeitige Situation ist sicher belastend und bringt der Verwaltung Zusatzlasten, weil nun immer zuerst abgewogen werden muss, ob man diese oder jene Ausgabe tätigen kann, sie dringlich und notwendig ist und ob man die verlangten Kriterien erfüllen kann. Der Aufwand für die Verwaltung ist nicht zu unterschätzen. Dasselbe trifft auf uns im Stadtrat zu. Jede Exekutive wünscht sich natürlich ein Budget, das man auslösen und damit auch die im Jahresprogramm gesteckten Ziele erreichen kann.

Welche weiteren grossen Herausforderungen warten 2022 auf Sie beziehungsweise die Oltner Politik?

Die Pandemie schwebt über allem. Das ist kein spezifisches Oltner Problem, betrifft aber natürlich die Öffentliche Hand. Sehr gespannt bin ich auch auf den Abschluss des Räumlichen Leitbildes im Frühling und den Start der eigentlichen Ortsplanung. Ich freue mich auch auf die nächste Phase beim Kunstmuseum: Jetzt wird das Siegerprojekt des Wettbewerbs überarbeitet, dann fliessen die Ergebnisse in die Planung ein, ehe es an die Realisierung geht. Das ist ein spannender Prozess. Auch beim Bahnhofplatz gehen wir einen Schritt weiter ins Vorprojekt. Diese Planung wird ebenfalls vorangetrieben. Ganz wichtig ist auch der Startschuss beim Schulhaus Kleinholz. Da laufen derzeit die Submissionen, Baustart wird dann im Frühling sein.

Sie haben vorhin angetönt, noch etwas Mühe zu bekunden mit Ihrer Work-Life-Balance. Ganz zum Schluss deshalb die Frage: Wie erholt sich der Stadtpräsident am besten?

Beim Wandern, beim Spazieren. Am besten aber wohl im Garten, wenn ich etwas «chrättele», die Hände ein wenig schmutzig machen kann (lacht).

 

Seit 8 Jahren Stadtrat

Der 54-jährige Thomas Marbet ist seit dem 1. August Stadtpräsident von Olten. Der studierte Volks- und Betriebswirt wohnt am Fuss des Sälischlössli. Im Alter von etwa 20 Jahren trat er der SP bei. Seit 2013 gehört er dem Stadtrat an (bis 2021 als Baudirektor), seit 2015 auch dem Kantonsrat. Bis zum Amtsantritt als Stadtpräsident hat er für die Schweizerische Nationalbank in Bern gearbeitet. (agu)

 

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