Ausflug ins Filmgeschäft

Dokumentarfilm Gemeinsam mit einer Freundin weilte die in Olten wohnhafte Leonie Pock 2019 während fünf Monaten als Menschenrechtsbeobachterin in Kolumbien und drehte dort einen Dokumentarfilm. Letzte Woche durfte sie diesen auf einem Filmfestival in Wien präsentieren.

Menschenrechtsbeobachterinnen begleiten Einzelpersonen und Gemeinschaften in ihrem Alltag, bei Behördengängen und auch bei Gerichtsprozessen. (Bild: ZVG)

Menschenrechtsbeobachterinnen begleiten Einzelpersonen und Gemeinschaften in ihrem Alltag, bei Behördengängen und auch bei Gerichtsprozessen. (Bild: ZVG)

Leonie Pock.

Leonie Pock.

Leonie Pock ist in aufgeräumter Stimmung. Am Tag zuvor ist sie von einem mehrtägigen Aufenthalt in Wien nach Olten zurückgekehrt. In der österreichischen Hauptstadt nahm sie mit einem eigenen Film am internationalen Dokumentarfilmfestival Ethnocineca teil, in der Kategorie International Shorts Awards.

Über den Siegerpreis konnte sich die 36-Jährige in Wien zwar nicht freuen. Aber: «Dass dieser Low-Budget-Film, ohne jegliche finanzielle Unterstützung und mit einfachen Mitteln produziert, an einem solchen Festival Aufnahme fand, freut mich sehr», sagt sie. Die Zusage erhielt sie im Februar; die Jury hatte ihn unter 620 eingereichten Beiträgen ausgewählt. Auf dem Festival gezeigt wurden 57 Kurz- und Langfilme in fünf verschiedenen Kategorien.

Einmaliger Ausflug in die Welt des Films?

Pock genoss den Austausch mit anderen Filmemachern und wurde aufgefordert, ihren Film auch noch anderswo einzureichen. «Und seinen eigenen Film, mit all seinen Ecken und Kanten, auf einer solchen Kinoleinwand zu sehen – das ist schon speziell.» Eine Karriere im Filmbusiness strebt Leonie Pock indes nicht an. Die studierte Anthropologin, die als Tochter deutscher Eltern im Oberwallis aufwuchs und seit anderthalb Jahren in Olten wohnt, arbeitet am Wohnforum der ETH Zürich als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Der Film «Tierrita» dokumentiert den Kampf einer kleinbäuerlichen Gemeinschaft um ihr Land in der kolumbianischen Provinz. 2016 wurde der jahrzehntelange Konflikt zwischen der Regierung und der prominentesten Guerilla-Organisation FARC formell beigelegt. Der Frieden ist allerdings brüchig. Und das Machtvakuum, das die FARC hinterlassen hat, wird vielerorts von anderen Guerilla-Organisationen oder Nachfolgegruppen gefüllt. Der Staat hingegen ist oft wenig präsent. Und wenn meist bloss repressiv durch Polizeigewalt, nicht aber zum Beispiel durch funktionierende Schulen, eine medizinische Versorgung oder eine intakte Wasserversorgung.

Dokfilm als Rechenschaftsablage

Pocks lohnender Abstecher ins Filmbusiness ist Ergebnis eines mehrmonatigen Aufenthalts in Kolumbien 2019. Sie und ihre aus Olten stammende Freundin Simone Dietrich weilten als Menschenrechtsbeobachterinnen während fünf Monaten im leidgeprüften südamerikanischen Land. Das Duo begleitete im Auftrag der Schweizer NGO Peace Watch unter anderem eine Gemeinschaft von Bauern in Guayabo am Fluss Magdalena. Diese wird seit mehr als zehn Jahren von einem Grossgrundbesitzer bedroht und liegt mit diesem in einem Rechtsstreit.

Alle freiwilligen Menschenrechtsbeobachterinnen sollen nach dem Einsatz in ihren Heimatländern über ihre Arbeit Rechenschaft ablegen – zwecks Sensibilisierung oder Aufklärung etwa. Pock entschloss sich, dies via Dokumentarfilm zu tun. Sie hatte einst einen Film-Workshop besucht. Die Bauerngemeinschaft am Rio Magdalena sollte selbst und unverfälscht von ihren Lebensumständen berichten können. Leonie Pock begleitete die Einheimischen mit der Kamera auch bei alltäglichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten. «Wer den Film schaut, versteht, was es bedeutet, vom Land zu leben, Subsistenzlandwirtschaft zu betreiben. Man sieht die Leute Bananen ernten, Käse herstellen, Unkraut jäten», erzählt Pock. Auch die Vorbereitungen auf die gerichtlichen Auseinandersetzungen nehmen einen zentralen Platz im Film ein.

Der Dokumentarfilm beleuchtet nur eine Seite der beteiligten Parteien. Die 36-Jährige räumt ein, dass er «anwaltschaftlich» sei. «Die Gegenseite kommt auch deshalb nicht zu Wort, weil es ein offener Konflikt ist und sie auch nicht gesprächsbereit ist.» Die in «Tierrita» geschilderte Realität lasse sich in ähnlicher Weise derzeit vielerorts in Kolumbien beobachten, meint Pock. Kleinbauern würden etwa zu Gunsten grossflächiger Palmölplantagen um ihre Existenzgrundlage gebracht.

Ihr Film, ist sich Pock sicher, habe es auch deshalb ins Programm des Filmfestivals in Wien geschafft, weil er durch qualitativ hochstehende ehrenamtliche Arbeit von Helfern erst zu dem wurde, was er ist: Lukas Keller sorgte zum Beispiel für den gelungenen Schnitt oder Andreas Spring für den stimmigen Soundtrack. Fertiggestellt wurde «Tierrita» im Herbst 2021. Seither wurde der Film, den es in zwei Versionen mit deutschen oder englischen Untertiteln gibt, schon mehrfach gezeigt, in Olten beispielsweise Ende April im Theaterstudio.

Freude bis ins ferne Kolumbien

Weitere Auftritte an Festivals stehen möglicherweise bevor. Sie sagt aber: «Wenn es bei ‹Wien› bleiben sollte, bin ich trotzdem sehr zufrieden.» Mit der Bauerngemeinschaft in Kolumbien pflegt Leonie Pock bis heute regen Austausch. So weiss sie, dass man sich auch im fernen Kolumbien sehr gefreut hat, dass es «Tierrita» an ein renommiertes Dokumentarfilmfestival geschafft hat.

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