Von Soloalben und Gefängnisaufenthalten

Der Stadtanzeiger begleitete im vergangenen Jahr den Atelieraufenthalt des Aarburger SaxophonistenSimon Spiess mit der monatlich erschienenen «Post aus Paris». Dieser Förderpreis wurde ihm durch das Aargauer Kuratorium verliehen. Seit diesem halben Jahr in Paris hat sich im Leben des jungen Musikers einigesereignet.

Abenteuerliche Tour durch Russland

Im Anschluss auf seinen Aufenthalt in Paris zog der 27-Jährige nach Mannheim (D) um und reiste darauf mit seinem «Simon Spiess Trio» (mit Bänz Oester - Double Bass und Daniel Mudrack - Drum) für eine dreiwöchige Tournee durch Russland, Sibirien und die Mongolei. «Ein russischer Booker organisierte die äusserstanstrengende Tournee. Gemeinsam mit zwölf weiteren Bands fuhren wir jeweils nachts in einem Tourbus und schliefen in schäbigen Hotels»,erzählt der Musiker und fügt schmunzelnd an: «Ich habe mich nach den drei Wochen sehr auf unsere leichte Küche gefreut, denn in Russland isst man sehr währschaft.» Doch obwohl das Drumherum auf der Tour anstrengend war, die Konzerte selbst seien ein Erlebnis gewesen. «Die Bewohner dieser Länder sind ein dankbares Publikum. Da das kulturelle Angebot sehr gering ist, trifft sich fast die halbe Stadtbevölkerung an einem Konzert, um sich völlig fasziniert während vier Stunden Freejazz anzuhören», erzählt Simon Spiess. Ganz im Gegensatz zu den westlichen Ländern, in deneneine Übersättigung festzustellen sei.

Gefängnisaufenthalt in Lenzburg

Im Herbst und Winter spielte das Trio Konzerte in Deutschland und der Schweiz und schloss das Jahr 2014 mit einem Konzert am 12.12. im Zürcher Club X-TRA ab. Kurz darauf, am20. Dezember, traf der Stadtanzeiger den Saxophonisten vor einer Probe in der Strafanstalt Lenzburg. Ja, richtig gelesen, die Probe fand in der Strafanstalt Lenzburg statt. Es ist aber nicht etwa so, dass sich der Saxophonist etwas zuschulden kommen liess, nein, der Musiker hatte in Paris die Regisseurin Annina Sonnenwald kennen gelernt, die das Stück «Die Geschworenen» mit den Insassen der Strafanstalt Lenzburg inszenierte und Spiess anfragte, ob er den musikalischen Part im rund einstündigen Stück übernehmen würde. «Es ist ein sehr spannendes Projekt, welches auch gut von den Gefängnisinsassen aufgenommen wurde. Ungewöhnlich sind diese Proben auf jeden Fall, so muss man sich ausweisen und im Voraus anmelden, was man ins Gefängnis mitnehmen muss», erzählt Spiess. Die zehn Vorstellungen wurden vom 2. bis 11. Januar in der Strafvollzugsanstalt in Lenzburg gezeigt.

Erstes Soloalbum

Nach sieben Alben als Bandleader spielte Simon Spiess im vergangenen Frühling seine erste Solo CD in der Diakoniekirche in Mannheim (D) ein. «Diese Idee kam mir wegen der wunderbaren und speziellen Akustik und weil ich auch in Paris des Öfteren, wenn die Kirche abends leer war, dort geprobt habe», erzählt Spiess schmunzelnd. Das halbe Jahr im Atelier in der französischen Hauptstadt verbrachte er oft sehr isoliert. In dieser Zeit sind viele Ideen für Improvisationen und Gedichte entstanden. Bis auf ein Stück handelt es sich deshalb bei den 13 Werken um Eigenkompositionen. «Ich habe die Stücke aufgrund bestimmter Bilder, Gedichte, Orte, Ereignisse und Personen komponiert. Ich bin zudem ein stark selbstreflektierender Mensch und der Meinung, dass alles, was man erlebt, einem hilft, für die Zukunft zu wachsen. Auch deshalb hoffe ich, die Zuhörer zum Nachdenken anregen zu können», so Spiess über sein neues Album «Reflections for Future», dessen Cover eine geheimnisvolle norwegische Landschaftsfotografie des Genfer Fotografen Elias Amari ziert. Wer das Konzert in kirchlicher Atmospähre geniessen möchte, ist herzlich an die Plattentaufe am kommenden Samstag eingeladen.

Plattentaufe CD «Reflections for Future»

Ref. Kirche Aarburg, Sa, 31. Januar, 20 Uhr

Rahmenprogramm:

Marie-Louise Nielsen (Tanzperformance)

Roger Odermatt (Sitar)

Samuel Dühsler (Schlagzeug)