Der Wortakrobat ist auch Terminjongleur
Kilian Ziegler Der Oltner Wortakrobat hat derzeit alle Hände voll zu tun. Beinahe täglich stehen Auftritte an, eben hat er ein Buch herausgegeben – und nächste Woche ist auch noch Premiere seiner neuen Late-Night-Show «Im Grunde ‘ne Runde» in der Schützi.
Wer auf Kilian Zieglers Website herumstöbert, erkennt rasch: Die grosse Langeweile droht ihm nicht. Die Agenda des Wortkünstlers ist dichtbepackt, freie Tage ohne Auftritte finden sich in manchen Wochen kaum noch. «Mehr könnte ich nicht machen, manchmal ist es fast ein wenig zu viel», räumt der 38-Jährige ein. «Aber ich tue das, was ich liebe. Und es ist natürlich ein Privileg, davon leben zu können.» Nachdem er sich über den Sommer zwei ruhigere Monate gegönnt hat, arbeitet er seit Anfang September beinahe pausenlos.
Das Gute dabei ist, dass die Arbeit ihn nicht ermüdet, sondern seine Kreativität sogar zusätzlich fördert. «Für mich», sinniert er, «war es schon immer hilfreich, das Messer am Hals zu haben.» Sein Soziologie-Studium etwa schloss er 2015 nach 22 Semestern just dann ab, als ihm der Wechsel ins Bologna-System drohte. «Wenn ich keine Deadline habe, schiebe ich die Sache vor mir her.» Seine Vergangenheit als «Langzeitstudent» nimmt der Oltner auf der Bühne selbst aufs Korn.
Bereits 2008 absolvierte er erste Auftritte als Slam Poet, seit 2011 lebt er von seiner Bühnenkunst. Längst ist die Slam Poetry nicht mehr sein einziges Standbein. Er hatte einen regelmässigen Part in der SRF-Sendung Deville, seit Anfang Jahr tourt er mit seinem ersten abendfüllenden Bühnenprogramm «99°C – Wortspiele am Siedepunkt», vor zwei Wochen gab er zudem sein bereits zweites Buch heraus. Wiederum im Oltner Knapp Verlag erschienen, trägt es den Titel «Dass es überraschend kommt, habe ich erwartet». Das Buch umfasst Kurzgeschichten und Kolumnen aus den letzten vier Jahren oder auch Elemente seines aktuellen Bühnenprogramms. Wer originelle Wortschöpfungen mag, inspirierende Gedankenspiele, erhellende Spracherkenntnisse, wird auf seine Kosten kommen. «Es soll mein Schaffen abbilden», erklärt Ziegler.
Dieses Schaffen wird demnächst um ein Kapitel reicher. Am kommenden Donnerstag, 28. September, wird er in der Schützi, seinem «zweiten Wohnzimmer», erstmals als Late-Night-Talker auf der Bühne stehen. Die auf rund 90 Minuten veranschlagte Produktion «Im Grunde ‘ne Runde» kommt bis Ende Mai 2024 alle zwei Monate mit neuen Gästen daher. In der ersten Staffel bis nächsten Mai finden fünf Shows statt. Unter den 15 Gästen finden sich fast ausnahmslos prominente Namen mit viel Anziehungskraft. Der Vorverkauf verläuft bisher denn auch sehr erfreulich.
«Werde bestimmt Lehrgeld bezahlen»
Über Bühnenerfahrung verfügt der mehrfache Poetry-Slam-Schweizermeister Ziegler reichlich. Als Talker wird er nun aber abhängig sein vom Gegenüber. Etwas, was sich schwer simulieren oder gar üben lässt. Angst und bange wird Ziegler darob nicht. «Ich glaube, das Spontane liegt mir. Aber ich werde bestimmt auch Lehrgeld bezahlen müssen. Die Premiere wird sicher noch nicht perfekt sein.»
Dass das Format in der Oltner Schützi, mit der ihn eine lange Geschichte verbindet, stattfinden wird, ist für ihn «Fluch und Segen zugleich». Einerseits kämen die Gäste, von denen er viele kennen wird, mit berechtigten Erwartungen zu den Shows. Andererseits gehe das Oltner Publikum, so hofft er, mit einem einheimischen Künstler wohl etwas weniger hart ins Gericht. Und sollte ihn die Spontanität doch mal im Stich lassen, könnten das bei «Im Grunde ‘ne Runde» auch seine beiden Bühnenpartner überspielen. Matthias Kunz, in Olten etwa als eine Hälfte des Duos Strohmann-Kauz wohlbekannt, wird den bösen Sidekick mimen, Dominique Trautweiler als Ruby State für die passenden Zwischentöne sorgen.
Derzeit schaut Ziegler der Premiere von «Im Grunde ‘ne Runde» jedenfalls noch gelassen entgegen. Die Nervosität werde zwar bestimmt noch ansteigen. Aber mit seiner gesammelten Erfahrung fühle er sich sicherer als noch vor fünf Jahren, wisse besser, worauf er sich einlasse. «Und zum Glück habe ich ja gar nicht so viel Zeit, um nervös zu sein», sagt er schmunzelnd. «Wenn man gut vorbereitet ist – und das sind wir – kann nicht so viel schief gehen.»
Der Wunsch, in der Oltner Schützi dereinst eine Late-Night-Show zu veranstalten, kam bei Kilian Ziegler vor fast zwei Jahren auf. Nina Knapp, Geschäftsleiterin der Schützi, bekam Wind davon und war angetan von der Idee. Ziegler schrieb ein Konzept, Knapp brachte die Sache ins Rollen, kümmerte sich zum Beispiel um die Finanzierung. Anfang 2023 wurde das neue Format öffentlich kommuniziert, nächste Woche ist nun Premiere unter dem Motto «Teuflisch Happy».
Als erste Gäste wagen sich die Satirikerin Rebekka Lindauer und die Musikerin Heidi Happy auf die Schützi-Bühne – und als «Stargast» Dominic Deville. Der Luzerner fiel in seiner SRF-Sendung wiederholt mit Olten-Bashing auf und wagt sich nun gleich zum Start von Zieglers Late-Night-Talk in die Höhle des Löwen. «Er ist der perfekte erste Gast», findet Ziegler. «Man liebt oder man hasst ihn in der Schweiz. In Olten ist das sogar noch extremer.» Mit einem Augenzwinkern fährt er fort: «Im besten Fall gibt es eine Versöhnung. Oder aber eine Massenschlägerei. Die Emotionen werden auf jeden Fall da sein.»