Trotzdem etwas wagen
Silvia Lerch Einen lang gehegten Traum erfüllte sich die Oltnerin Silvia Lerch anfangs Dezember, als sie für die SRF «DOK»-Serie «Abenteuer Lappland - Tour des Lebens» während vier Tagen mit Schlittenhunden unterwegs war und dies trotz ihrer Krankheit Parkinson.
Alles begann in Kindertagen mit Jack London’s Roman «Wolfsblut». «Den Wolf empfinde ich seither als mein Ahnentier. Vielleicht auch deshalb, weil er vielerorts zu Unrecht als böse gilt und ich gerne gegen den Strom schwimme», erzählt Lerch. Die Geschichte über den Hund mit Wolfsblut in den Adern war es auch, welche das Interesse für den Hundeschlittensport sowie die Reiselust in Lerch weckten. Anhand von Büchern informierte sie sich über den Sport und eignete sich ein solides theoretisches Wissen über die Arbeit des Mushers an. «Nicht mehr so regelmässig wie einst, da sich die Rennen meist mit der Fasnachtszeit überschneiden, aber doch sicherlich ein Mal pro Jahr, besuche ich ein Hundeschlittenrennen in der Schweiz», erzählt die 46-Jährige begeistert, die in ihrer Freizeit Hunde des Tierdörfli Olten ausführt und als Sprössling der Guggenmusik Herregäger angehört.
Definitiv keine Touristen-Tour
«Ich hatte in den vergangenen Jahren die Gelegenheit ein paar Halbtages- und auch eine Tagestour in Finnland zu unternehmen. Deshalb war ich begeistert, als ich von einer Kollegin den Hinweis erhalten habe, dass das Schweizer Fernsehen nach Kandidaten sucht, die sich für die «DOK»-Serie «Abenteuer Lappland - Tour des Lebens» auf eine viertägige Hundeschlittentour begeben möchten. Nach einem Bewerbungsschreiben und einem Gespräch lag die Entscheidung jedoch nicht nur beim SRF, denn bei der reisebegeisterten Oltnerin wurde vor fünf Jahren die unheilbare Nervenkrankheit Parkinson diagnostiziert. Schliesslich standen alle Ampeln, auch vonseiten der Ärzte, auf Grün und es konnte gemeinsam mit vier weiteren Personen anfangs Dezember losgehen. «Obwohl dies im Film nicht gezeigt wird, wurden wir hervorragend vom finnischen Guide und Musher Juho Ylipiessa in die Arbeiten eines Hundeschlittenführers eingeführt», so Lerch. Dies war wichtig, denn jeder Abenteurer war für «seine» Hunde selbst verantwortlich und die Regel lautete, dass bei Ankunft zuerst die Vierbeiner versorgt werden sollen. «Es war definitiv keine Touristen-Tour, die wir absolvierten und wir sind alle an unsere Grenzen gestossen.» Sie sei jedoch überrascht gewesen, wie gut es mit dem «Parki» funktioniert habe. «Stress ist Gift, dann beginnt das Zittern. Doch ich wusste, wenn ich frieren sollte, könnte die Reise ebenfalls zur Tortur werden», erzählt die 46-Jährige. «Wir wurden darauf hingewiesen, dass es sich lohne, Unterwäsche in Merinowolle zu besorgen. Daneben sind wir mit hervorragender Kleidung und Schlafsäcken ausgestattet worden, weshalb ich nie gefroren habe», so Lerch dankbar und dies bei Nächten im Zelt bei Minus 20 Grad. «Neben der Kälte war es gewöhnungsbedürftig, dass es bereits ab 15 Uhr dunkel wurde.» Angst vor Wildtieren habe sie keine gehabt. «Die Hunde haben sofort Laut gegeben.»
Die Macht der positiven Gedanken
Dass sie die Reise trotz Parkinson so gut gemeistert habe, verdanke sie einerseits ihrer guten Fitness, aber auch den vielen positiven Momenten, die sie in Finnland habe erleben dürfen, ist Lerch überzeugt. «Neben schwierigen Abschnitten sind wir regelmässig auch längere Zeit durch die ebene, weisse Landschaft gefahren und haben die wunderschöne Stimmung genossen sowie die Ruhe in uns aufgesogen», erzählt Lerch begeistert. Ausserdem habe das Team vor und hinter der Kamera viel Rücksicht genommen und beispielsweise die Pausen so abgestimmt, dass Lerch pünktlich ihre Medikamente einnehmen konnte. Nichtsdestotrotz habe sie die Krankheit in der darauffolgenden Woche mit voller Härte eingeholt. «Ich war körperlich völlig erschöpft und vermisste die Hunde», erinnert sich Lerch. Erst heute durch das tägliche Handtraining könne sie ihre zuvor steifen Finger wieder strecken.
Eine Plattform für Parkinsonerkrankte
Nach Ausstrahlung der dreiteiligen DOK-Serie Ende Dezember seien viele positive Rückmeldungen bei ihr eingegangen, aber auch Wunderheiler hätten sich gemeldet, erzählt das Mitglied der Musikgesellschaft Winznau und nimmt es mit Humor. «Zu Hause sitzen und sich bemitleiden bringt einen nicht weiter», ist Lerch überzeugt, die ihr Arbeitspensum als Testmanagerin von Krankenversicherungssoftwares aufgrund ihrer Erkrankung zuerst auf 80, danach auf 60 und nun auf 40 Prozent reduzieren musste. Es ist ein Irrglaube, dass nur ältere Personen an Parkinson erkranken. Deshalb hat Lerch im Frühling 2018 erstmals ein Treffen für junge Betroffene durchgeführt und vor einem Jahr den Verein «Move4YPD» gegründet. Der Verein bietet Treffen für Parkinsonbetroffene an, die noch im Berufsleben stehen, wie beispielsweise am Samstag, 21. März das Training mit der Boxerin Aniya Seki. Ausserdem arbeitet Lerch’s Selbsthilfegruppe «Jupp Olten» mit dem Verband Parkinson Schweiz zusammen. Neben Sponsorenläufen seien noch weitere Angebote wie Kurz-Tripps und Ferien für reisefreudige mobile Erkrankte vorgesehen, sprudeln die neuen Ideen nur so aus der Vereinspräsidentin hervor. «Es ist wichtig, etwas zu wagen, was sich mit dem Abenteuer in Lappland bestätigt hat. Das Schlimmste, was passieren kann, ist nichts zu machen, gerade bei erkrankten Personen», ist Lerch überzeugt. Angesprochen auf eine weitere Husky-Tour meint die Oltnerin mit leuchtenden Augen: «Wenn es mir der «Parki» erlaubt, möchte ich spätestens in zwei Jahren nochmals eine Tour absolvieren, dieses Mal aber die leichtere, die Touri-Tour.»
Die «DOK»-Serie «Abenteuer Lappland - Tour des Lebens» ist auf der Webseite von www.srf.ch zu sehen.
<link http: www.move4ypd.ch>www.move4ypd.ch