Queen Victoria nahm ihren Tee im Bahnhofbuffet Olten ein

Historisches Innerhalb von nur gut zwei Monaten schalteten die drei wichtigsten gekrönten Häupter Europas einen Zwischenhalt in Olten ein. Auf ihren Reisen durch die Schweiz im Frühjahr 1893 machten nacheinander der Kaiser von Österreich, die englische Königin und der deutsche Kaiser im Bahnhof Olten eine Pause.

Der Bahnhof Olten, wie er 1889 aussah, noch ohne die zwei 1903 angefügten hohen tonnenförmigen Gleisüberdachungen. (Bild: ZVG/Stadtarchiv Olten)

Der Bahnhof Olten, wie er 1889 aussah, noch ohne die zwei 1903 angefügten hohen tonnenförmigen Gleisüberdachungen. (Bild: ZVG/Stadtarchiv Olten)

Der Schriftzug «Buffet» auf der Strassenseite des Oltner Bahnhofgebäudes war 1952 von weit her zu sehen. (Bild: ZVG/Stadtarchiv Olten)

Der Schriftzug «Buffet» auf der Strassenseite des Oltner Bahnhofgebäudes war 1952 von weit her zu sehen. (Bild: ZVG/Stadtarchiv Olten)

Inserat des Bahnhof-Restaurants Olten von 1897. (Bild: ZVG)

Inserat des Bahnhof-Restaurants Olten von 1897. (Bild: ZVG)

Queen Victoria. (Bild: ZVG)

Queen Victoria. (Bild: ZVG)

Kaiser Franz Joseph I. (Bild: ZVG)

Kaiser Franz Joseph I. (Bild: ZVG)

Kaiser Franz Joseph I. von Österreich kam am 28. Februar 1893, einem Dienstag, nach Olten. Er war pünktlich um 10 nach 8 Uhr von Wien her kommend in Zürich eingetroffen. Sein Salonwagen, eine Art rollendes Kaffeehaus, war in Romanshorn an den fahrplanmässigen Morgenzug der Nordostbahn angekuppelt worden. So konnte der Monarch recht diskret reisen. Im Zürcher Hauptbahnhof erwartete ihn der Leiter des österreichisch-ungarischen Konsulats, Ludwig Przibram von Gladona. Der Generalkonsul nahm den Kaiser in einem gedeckten Landauer mit auf eine Rundfahrt durch die Stadt. Der Aufenthalt dauerte allerdings nur kurz, um halb zehn Uhr rollte der prominente Dampfzug wieder aus dem Bahnhof, in Richtung Bern.

Der Kaiser ass in Olten zu Mittag

Doch bereits am Eisenbahnknoten Olten machte der Tross einen Zwischenstopp. Kaiser Franz Joseph I. stieg aus, um im Bahnhofbuffet Olten das Mittagessen einzunehmen. Die «Bahnhofwirtschaft», wie sie zuerst hiess, war 1856 gleichzeitig mit dem Stationsgebäude des Personenbahnhofs Olten eröffnet worden. Die Direktion der Schweizerischen Centralbahn (SCB) achtete darauf, dass nur ausgewiesene Wirte die Restaurants in den grossen Bahnhöfen übernahmen. So hatten die Bahnhofwirtschaften bald einen hervorragenden Ruf.

In Olten hatte Johannes Biehly sie 1856 übernommen; 1893 war es sein Sohn Hermann Biehly, der den hohen Gast aus Wien bewirtete. Aber weder der Restaurateur noch das Personal dürfte mitbekommen haben, welche noble Persönlichkeit bei ihm im Bahnhofbuffet speiste. Der Monarch reiste nämlich inkognito, liess sich als Graf von Hohenembs anmelden und trug eine unauffällige schwarze Kleidung. So hat denn der Besuch des Kaisers von Österreich in Olten keine Spuren hinterlassen.

Franz Joseph I. reiste von Olten via Bern weiter nach Territet bei Montreux, wo seine Gattin Elisabeth «Sissi» seit Mitte Februar im «Grand-Hôtel et Hôtel des Alpes» das milde Klima und die Freiheit vom Hofzeremoniell genoss.

In Lausanne traf der Kaiser nachmittags um 4 Uhr 20 ein, berichteten die Zeitungen: «Die Kaiserin Elisabeth, die vor dem Bahnhofe, begleitet von einer einzigen Ehrendame, inmitten eines zahlreichen Publikums spazierte, begab sich zum kaiserlichen Wagen. Der Kaiser stieg aus, um sie herzlich zu umarmen. Darauf stiegen beide Gatten in den Salonwagen, um nach Territet zu fahren.» Anstatt nur wenige Tage blieb Franz Joseph bis zum 12. März, Sissi reiste vier Tage später nach Genua, wo sie die imperiale Jacht «Miramar» nach Korfu betrat.

Die Queen trank ihren Tee in Olten

Zwei Monate später war dann in der Zeitung zu lesen: «Unserem berühmten Bahnhofrestaurateur, der unlängst die Ehre hatte, dem nach Montreux reisenden Kaiser von Oesterreich ein Mittagsmahl zu servieren, wird neue Ehre zu teil. Die Königin von England und Kaiserin von Indien wird sich laut telegraphischen Meldungen in Olten etwa eine halbe Stunde aufhalten und dabei ihren Thee trinken.»

Tatsächlich stieg die englische Königin Victoria am Dienstag, 20. April 1893, in Olten aus, um sich im Bahnhofbuffet ihren Fünfuhrtee servieren zu lassen. Auf ihrer Rückreise aus Italien war sie nachmittags 3¾ Uhr in Luzern eingetroffen, anschliessend «wird die Königin nach kurzem Aufenthalt von einigen Minuten weiter reisen, in Olten ½ Stunde rasten behufs Einnahme des Thees und sodann bis Strassburg im Elsaß fahren, wo sie in ihrem Sonderzuge die Nacht verbringen wird», berichteten die Zeitungen.

In Olten selber wurde dieser hohe Besuch nicht speziell wahrgenommen. Und in ihrem Tagebuch wiederum, das die Queen Victoria im Zug führte, hielt sie zwar ihre Beobachtungen während der Bahnfahrt von Airolo bis Basel und Strassburg fest. Sie erinnerte sich dabei auch an ihre erste Schweizerreise 1868. Damals war der Gotthardtunnel noch nicht gebaut, und die Kutsche der Queen war über den Gotthard gerumpelt.

Von ihrer Teatime im Bahnhofbuffet Olten findet man aber nichts in ihren Notizen: «The train comes out at Göoschenen, which I recognised & we looked down on the road I drove along 25 years ago! The views were most grand. Unfortunately it was rather hazy, so that we could not see the Jungfrau, Eiger & Mönch, as we approached the Lake of Lucerne. How I recognised every beautiful spot I had been so fond off, the Rigi up which I rode, the Pilatus rising up, grand as ever in its solitude, reminding me so much of past times. At Lucerne we stopped but could not see the Gütsch where we had lived. Bâle was the last Swiss town we passed. At Strasburg, which we reached shortly after 9, we stopped for dinner».

Kaiser Wilhelm hielt nur kurz in Olten

Praktisch gleichzeitig mit der Fahrt der englischen Königin durch die Schweiz machte der deutsche Kaiser Wilhelm II. in Olten Halt. Er war am 22. April 1893 im Quirinalspalast in Rom mit dem italienischen König zusammengetroffen. Auf seiner Rückreise von diesem Staatsbesuch sollte er am 2. Mai auch in der Schweiz offiziell begrüsst werden. Allerdings wollte sich der Monarch den Umweg nach Bern ersparen. Deshalb wurde schon Wochen vorher spekuliert, wo ihn der Bundesrat willkommen heissen sollte. «Der Bundesrat dachte einen Moment daran, Olten als Begrüßungsort zu wählen. Die Baudirektion erhielt den Auftrag, die lokalen Verhältnisse, die Dekorationsfrage etc. dort zu studieren. Sie brachte aber den Bericht, daß sich Olten durchaus nicht zum Empfang eigne», berichtete das «Intelligenzblatt der Stadt Bern».

So entschied sich der Bundesrat für Luzern, was der Redaktor spöttisch kommentierte, für Kaiser Wilhelm sei Olten wohl «zu prosaisch und störend durch das ewige Gerassel der Züge!». So wurde dem deutschen Kaiser in Luzern ein grosser Empfang bereitet. Auf seiner Weiterfahrt Richtung Basel hielt sein Zug in Olten zwar an, Kaiser Wilhelm II. stieg aber nicht aus.

Quellen: www.e-newspaperarchives.ch; den Hinweis auf den königlichen Afternoontea verdankt der Autor Werner Schwaller, Olten.

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