«An der Tankstelle»
An einem der wenigen sonnigen Tage dieses Sommers fuhren der Oltner Stadtpräsident und seine Gattin inkognito zu Kurzferien ins Freiburgerland, wo die Gattin aufgewachsen ist. Dort gibt es noch freilaufendes Hornvieh und bediente Benzintankstellen. An einer dieser Tankstellen machte das präsidiale Paar halt, um vollzutanken. Gross war die Überraschung, als sich der Tankwart als Kindheitsfreund der Gattin herausstellte. Man umarmte sich freudig, schilderte einander kurz den Lebensweg und zeigte Fotos von den Kindern, während der Stadt-präsident geduldig lächelnddaneben stand. Dann wurde endlich vollgetankt und dieFahrt konnte weitergehen.
«Du scheinst dich damals gut verstanden zu haben mit deinem Kindheitsfreund», sagte unser Stadtpräsident.
Seine Gattin lächelte und schwieg.
«Vielleicht hättest du ja ihn geheiratet, wenn wir beide uns nicht begegnet wären.»
Die Gattin lächelte weiter.
«Dann wärst du jetzt die Fraueines Tankstellenwarts amGreyerzersee.»
«Ach nein», sagte die Gattin. «Dann wäre er jetzt Stadtpräsident von Olten.»
*
Dies ist nun ausnahmsweise mal keine wahre Geschichte, sondern ein von mir selbst gedichteter Witz. Trotzdem bin ich ins Grübeln geraten. Was, wenn das so geschehen wäre? Wen hätte die Tankwartsgattin dann geheiratet? Das kann man nicht wissen. Vielleicht wäre sie in jungen Jahren auf einer Velotour nach Aarau geraten und hätte dort zum Beispiel den jungen Peach Weber kennen gelernt. Dann wäre der jetzt Tankwart im Freiburgischen und hätte seine Ehefrau Jeannette nie getroffen. Und wen hätte Jeannette dann geheiratet, wer wäre an Peachs Stelle der beliebteste Komiker der Schweiz geworden? Es nimmt kein Ende.
Während ich dies schreibe, schaue ich nachdenklich meine Frau an. Was, wenn die einen anderen geheiratet hätte? Dann wäre der der Vater meiner Söhne, würde auf einem himmelblauen Velo durchs Städtchen fahren und hier Woche für Woche eine Kolumne schreiben. Alex Capus
