Geld und Geist

Urs Bloch, Mediensprecher.
Urs Bloch, Mediensprecher.

Heute kann man sich in einem Haus umsehen, bevor dieses gebaut ist. Visualisierungen in drei Dimensionen machen es möglich. Doch diese Bilder können täuschen. Spätestens, wenn man in der neuen Küche steht, merkt man, dass die Platzverhältnisse nicht ganz so generös sind, wie es die Zeichnung auf dem Computer versprach. Ja, das Leben ist nicht immer wie ein bunter Katalog.

Bei der Oltner Martinskirche gibt es derzeit Anschauungsunterricht zu diesem Thema. Nördlich
der Kirche soll anstelle der abgekämpften Arbeiterhäuschen eine Grossüberbauung mit
60 Wohnungen in den Himmel wachsen. Erstmals war Mitte Juni davon zu lesen, zur Veranschau- lichung gab es damals Computerbilder, die nicht zuletzt die grosszügigen Grünbereiche betonten. Seit kurzem geben die Bauprofile Hinweise auf die Realität und bringen einen zum Staunen. Der östliche Flügel des wie ein Kamm konzipierten Gebäudes greift weit nach vorne und macht dem einen Kirchenturm optisch kräftig Konkurrenz. Wären die beiden Gebäude Menschen und ich wäre die Kirche, würde ich sagen, diese Nähe sei respektlos.

Die katholische Kirchgemeinde war in einer frühen Planungs-phase bereits an Bord, konnte man lesen, und fragt sich, welche Motivation gewirkt hat: Geld oder Geist? Es könnte ja sein, dass nicht ein guter Deal für die kooperative Haltung ausschlaggebend war, sondern die Hoffnung, durch die Nähe dieser Grossüberbauung wieder neue Kirchgänger zu gewinnen. Diese könnten am Sonntag dann noch etwas schlaftrunken in den Finken den Gottesdienst besuchen. Auch hier wird die Realität wohl profaner sein. Der Tag wird kommen, da sich die neuen Nachbarn über den Schattenwurf der Kirche ärgern und Unterschriften gegen den Stundenschlag der Glocken sammeln.

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