Loslassen

<em>Urs Bloch</em>, Mediensprecher.
<em>Urs Bloch</em>, Mediensprecher.

Eine Wäscheklammer und ein Streifen Karton genügten für einen Nachmittag voll Glück. Mit der Klammer befestigten wir Kinder den Karton an der Lenkergabel unserer Fahrräder und liessen ihn dabei leicht in die Speichen ragen. Beim Fahren erzeugte der Karton ein flatterndes Geräusch, das in unseren Ohren wie ein Motor klang. Aus unseren Kindervelos waren im Nu veritable Motorräder geworden. In Gedanken waren wir längst dem Geviert des Trimbacher Hinterhofs entflohen und wähnten uns irgendwo auf einer endlos langen Strasse, wie wir sie vielleicht aus dem Film kannten. Unser Tun erzeugte in uns pures Glück. Eine Stunde intensivstes Leben ohne Gestern und Morgen, ohne Fragen und Antworten, ohne Ziel und Zweck.

Die Kunst des guten Lebens besteht wohl auch im Versuch, solche Momente der Unbeschwertheit mit dem Älterwerden zu bewahren, sie zu verteidigen gegen die eigenen Einwände, das Abwägen und die Scheu, etwas falsch zu machen. Dabei kommt das Glück manchmal aus dem Moment heraus, ohne Ankündigung. Dann muss man bereit sein und alles andere loslassen, um das Gute zu packen. Wer in ge-selliger Runde immer auf die Uhr schaut und bereits an den nächsten Arbeitstag denkt, hat diese Formel des Glücks noch nicht verstanden.

Der Sommer ist die beste Zeit für Wäscheklammern und Kartonstreifen. Der Sommer ist ein grosszügiges Angebot an das Leben. Dieses Verschwenderische an Licht und Wärme, diese Fülle an Farben und Düften. Alles ist etwas leichter, und die Menschen sind schön. Der Sommer ist ein Bett unter dem Sternenhimmel, in das wir uns legen können. Im Sommer warten die guten Momente des Lebens hinter der nächsten Ecke. Man muss bloss alles andere loslassen.

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