Paris oder Olten?

Elie Peter, Kommunikationsverantwortlicher und Schriftsteller. (Bild: Remo Buess)

Kürzlich las ich ein Interview mit dem Psychologen Barry Schwartz. Schwartz gehört zu den führenden Forschern über menschliche Entscheidungen. Im Interview rät er: «Man muss einen Weg finden, nicht jede Entscheidung anzuzweifeln und zu bereuen.» Gut, sagte ich mir – blicken wir nach vorne statt nach hinten!

Das Gegenteil passierte. In den folgenden Tagen grübelte mein Hirn in jeder freien Minute über die wichtigen Entscheidungen in meinem Leben nach: Habe ich den richtigen Beruf gewählt? Vermutlich. Habe ich die richtige Frau geheiratet? Oh ja! Lebe ich am richtigen Ort?

Diese Frage versetzte mich zwölf Jahre zurück: Meine heutige Frau und ich hatten uns nach langer komplizierter Freundschaft endlich als Paar gefunden. Wir wollten die Zukunft zusammen verbringen, als Familie mit Kindern. Aber wo? Als Französin lebte sie in Paris, ich in Olten…

Auf der einen Seite also Paris: Die Stadt der Lichter und der Liebe! Die Stadt von Kultur und Savoir-vivre. Auf der anderen Seite Olten: klein, unspektakulär, ein Nest in der Deutschschweizer Provinz. Wir entschieden uns für… Olten. Wieso? Wegen der wirtschaftlichen Sicherheit. Hier besass ich ein Haus und in der Nähe einen gut bezahlten Job.

Und jetzt, zwölf Jahre später? Vor ein paar Wochen kam meine Frau von einem Wochenende in Paris zurück, ihrem ersten Paris-Aufenthalt seither. «Und?», fragte ich. «Paris ist immer noch toll», erwiderte sie. Sie legte eine Pause ein. «Aber niemals möchte ich als Familie dort leben! Zu hektisch, zu schmutzig, zu gefährlich.» Sie pausierte erneut. «Es ist schön, wieder in Olten zu sein. Hier ist das Leben so normal.»

Als ich über Barry Schwartz sinnierte, fiel mir die Aussage meiner Frau ein. Ich musste nicht weiter grübeln. Ja, wir haben uns richtig entschieden!

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