Freiwilligenarbeit im Kino leisten – nicht ganz frei von Eigennutz

Vereinsmensch Vor etwa zwölf Jahren suchte die Pensionierte Heidi Oetiker eine Freiwilligenarbeit, bei der sie unter Menschen ist. Die Liebhaberin von Arthouse-Filmen meldete sich beim Verein Lichtspiele Olten. Seither ist sie freiwillige Helferin im Kino Lichtspiele Olten, das derzeit Gast im Capitol an der Ringstrasse ist.

Heidi Oetiker vor dem Premium-Kino Capitol, zurzeit Gastgeber des Kinos Lichtspiele. (Bild: Hans Himmelreich)
Heidi Oetiker vor dem Premium-Kino Capitol, zurzeit Gastgeber des Kinos Lichtspiele. (Bild: Hans Himmelreich)

Heidi Oetiker ist eine der etwa dreissig Helferinnen und Helfer des Vereins Lichtspiele Olten. Ohne diese Freiwilligen könnten die Filmvorstellungen nicht stattfinden, weil sich die Zuschauerzahlen in Grenzen halten. Die Programmgestaltung des Arthouse-Kinos soll bewusst die neuesten Hollywood-Produktionen ergänzen.

Der Stadtanzeiger trifft Heidi Oetiker in einem Mehrfamilienhaus, das sie zusammen mit ihrem Mann, einem ihrer beiden Söhne und den zwei Enkelinnen bewohnt. Sie erinnert sich an die Anfangszeit, als der Kinoschlüssel im «Wärchlade» abzuholen war: «Auf dem Tresen des Kinos stand eine altmodische Registerkasse mit Klingelton. Das Bier wurde gezapft.» Heute ist ihr Arbeitsplatz neuzeitlicher. Stolz berichtet sie: «Diese Woche hatte ich bereits Dienst, zusammen mit einer zweiten Helferin.»

Eine Stunde vor Filmbeginn am Ort

Die beiden lassen es gerne ruhig angehen und sind deshalb bereits eine Stunde vor Filmbeginn an ihrem Arbeitsplatz. So haben sie genügend Zeit, in der sie alles ohne Stress vorbereiten können. Sie schauen als erstes, ob der richtige Film programmiert und ob im Zuschauersaal alles in Ordnung ist. Dann machen sie im Eingangsbereich alles bereit. Heidi Oetiker fährt fort: «Halb acht ist dann Türöffnung und es kommen unsere ersten Gäste, meist gesellige Leute, die untereinander plaudern. Einige Minuten vor Filmbeginn gibt es dann oft ein Gedränge. Punkt acht Uhr geht die Vorstellung los.» Heidi Oetiker macht meist die Eintrittskasse und ihre Kollegin sorgt für den Getränkeverkauf.

Der Film startet wie von Geisterhand

Um die Filmprojektion müssen sich die beiden Freiwilligen nicht kümmern. Diese Arbeit wird im Kino Capitol wie von Geisterhand vollautomatisch erledigt – es ist nicht einmal ein Knopfdruck nötig.

Jetzt könnte Heidi Oetiker es sich in einem der roten Kinosessel bequem machen und den neuen Schweizer Dokumentarfilm «Bahnhof der Schmetterlinge» schauen. Es läuft aber anders: «Normalerweise verpasse ich die ersten zehn Minuten. Denn ich möchte folgende Arbeiten sofort und nicht erst nach der Vorstellung machen: Kassensturz, Vergleich der Einnahmen mit den verkauften Karten, Verschliessen des Bargelds im Tresor, abschliessend die Liste für den Filmverleih parat legen.» Den verpassten Filmbeginn findet sie meist nicht so tragisch, es gibt aber Ausnahmen: «Neulich bin ich ein zweites Mal als zahlende Zuschauerin in denselben Film gegangen, das war ‹Fallen Leaves› vom finnischen Regisseur Aki Kaurismäki.»

Läuft bei den Filmvorstellungen immer alles nach Plan? Heidi Oetiker erinnert sich: «Zu 98 Prozent klappt es. Aber es kann doch einmal eine Störung geben. Einmal – wir waren noch am Klosterplatz – mussten wir den Techniker rufen. Bis der den Film zum Laufen brachte, verging etwa eine Viertelstunde. Als Notfall-Massnahme haben wir dem Publikum Gratis-Getränke angeboten. Der Saal war ziemlich voll, aber die Leute waren sehr verständnisvoll.»

Freiwilligenarbeit als Win-win-Situation

Heidi Oetiker muss nicht lange überlegen, weshalb sie nach ihrer Pensionierung aus der breiten Palette der Freiwilligenarbeit das Kino wählte: «Der erste Grund: Ich kann mir dreimal im Monat einen Arthouse-Film meiner Wahl anschauen. Ich bekomme ja 14 Tage im Voraus die Liste der Filme und kann auswählen, für welche Termine ich mich in die Helferliste eintrage.» Der zweite Grund ist die Geselligkeit, denn sie freut sich, im Kino Leute zu treffen: «Ich mag es, Menschen zu sehen und spreche gerne mit anderen.»

Zu ihren Lieblingsregisseuren gehört Nanni Moretti. Sie schätzt auch die sozialkritischen Filme von Ken Loach sowie Werke der tunesischen Regisseurin Kaouther Ben Hania. Es wird klar, dass ihr Herz für sozial Benachteiligte schlägt. Heidi Oetiker hat viele Fremdsprachenkenntnisse und versteht die Dialoge der im Kino Lichtspiele gezeigten Originalfassungen auf Englisch, Französisch und Italienisch. Bei anderen Sprachen muss auch sie die Untertitel lesen: «Japanische oder chinesische Filme finde ich schwierig zu verstehen, nur mit deutschen Untertiteln.»

Lichtspiele ist ihr Kino

Heidi Oetiker ist bestens informiert über die Filme, die sie gesehen hat. Sie weiss vieles über die Handlung, die Drehbuchautoren, Regisseure und Schauspieler. Als Erinnerungsstütze hat sie eine Sammlung von Flyern, die der Filmverleih jeweils zur Verfügung stellt. Sie freut sich, wenn sie wieder einmal Dienst an der Kinokasse hat, weil sie dann eine Kollegin oder einen Kollegen wiedersehen kann. Im Laufe der Jahre sind auch gute Bekanntschaften mit Vereinsmitgliedern und Stammgästen entstanden und man begrüsst sich freudig an der Kasse. Heidi Oetiker identifiziert sich stark mit ihrem Verein und dessen Zielen: «Das ist mein Kino. Und ich möchte, dass es gut läuft mit dem Verein Lichtspiele Olten und dass der Verein sein gutes Image behält.»

www.lichtspiele-olten.ch

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