«Von Anfang an zuhause gefühlt»

Vereinsmensch Der Oltner Kirchenchor St. Martin wird seit diesem Jahr von einem neuen Dirigenten geleitet. Viktor Majzik fühlt sich in seiner Aufgabe äusserst wohl.

Der Martinsschor wird an den diesjährigen Weihnachtsgottesdiensten Puccinis «Messa di Gloria» vortragen. (Bild: ZVG)

Er trägt einen Bart, als wolle er dem Samichlaus Konkurrenz machen. Seiner ist allerdings noch nicht weiss. Würde nicht der Rauschebart die Hälfte seines Gesichtes und damit fast die gesamte Mimik verdecken, könnte man ihn oft strahlen sehen. Viktor Majzik berichtet mit viel Enthusiasmus über seine Tätigkeit als Leiter des Oltner Kirchenchors St. Martin.

Der 42-jährige ungarisch-schweizerische Doppelbürger, der seit 21 Jahren in der Schweiz zuhause ist, leitet den äusserst traditionsreichen Chor seit Anfang Jahr. Seit Sommer 2021 bereits zeichnet er für drei Kinderchöre in der Marienkirche auf der anderen Stadtseite verantwortlich. Durch gemeinsame Auftritte war ihm der Martinschor nicht fremd. Als Majzik dann eines Tages davon erfuhr, dass die Stelle als Leiter des 1886 gegründeten Chors ausgeschrieben werden würde, zögerte er nicht. «Ich fand das seine sehr schöne und interessante Herausforderung.» Die Leitung eines Kirchenchores ist für Majzik eine Premiere. «Chöre leite ich schon seit 14, 15 Jahren. Allerdings kleinere Formate, meistens A-Cappella-Formationen.»

Majzik ist Musiker, Berufssänger, Musiklehrer. Neben den beiden Engagements in Olten unterrichtet er derzeit auch in der Nähe seines Wohnortes Stäfa in einer Musikschule. Seine Erstausbildung wiederum hatte er in einem ganz anderen Bereich absolviert: als Archäologe und Altertumswissenschaftler.

«Mit offenen Armen empfangen»

Als er die Nachfolge des in Rente gehenden Silvan Müller beim Martinschor antrat, mussten sich Sängerinnen und Sänger und Dirigent erst aneinander gewöhnen. «Ich musste die Sprache des Chores kennenlernen: Wie reagieren wir aufeinander? Natürlich musste sich auch der Chor an meine Körpersprache und Ausdrucksweise gewöhnen.» Die gegenseitige Kennenlernphase verlief aber weitgehend problemlos. Schwer sei ihm der Einstieg nicht gemacht worden, so Majzik. «Ich habe mich von Anfang an sehr zuhause gefühlt. Der Chor hat mich mit offenen Armen empfangen.» Mit einem Lächeln bilanziert der gebürtige Budapester die ersten Monate seiner Tätigkeit. «Es war eine Herausforderung. Aber eine sehr glückliche Herausforderung.»

Die ersten Bewährungsproben waren schon früh erfolgt: Auftritte in der Karwoche und an Ostern mit einer Schubert-Messe, später zum Beispiel die Feiern anlässlich von Fronleichnam oder Martinstag. Derzeit steckt der Chor in der Schlussphase der Vorbereitungen auf die grossen Auftritte zu Weihnachten. Gesungen wird die «Messa di Gloria» von Giacomo Puccini, für die bereits seit Juni geprobt wird. Parallel dazu übt eine Sechsergruppe des Martinschors, die sogenannte Schola, gregorianische Gesänge für den Gottesdienst am dritten Adventssonntag ein.

Dem Kirchenchor gehören um die 35 Mitglieder an. Zu den grossen Festen Ostern und Weihnachten stossen oftmals noch einige zusätzliche Sängerinnen und Sänger zum Chor. Dieser besteht etwa zu einem Drittel aus Männern. Gerade bei den Männerstimmen bewegt man sich auf eher dünnem Eis. Majzik hofft sehr, dass keine Krankheitswelle den Chor trifft. Er bemüht gerne den Vergleich mit einer Fussballmannschaft. «Wenn aus dem gleichen Stimmfach kurzfristig mehrere ausfallen, kann das heikel sein. Für mich ist das so, wie wenn sich einen Tag vor dem Spiel der Torhüter und zwei Stürmer krank abmelden. Die Mannschaft hat weniger Chancen.»

Den Chor aus der Komfortzone locken

Grundsätzlich herrsche beim Chor eine ausgezeichnete Probemoral. Ohnehin fühlt er sich als Chorleiter ausgezeichnet unterstützt. «Alle ziehen in die gleiche Richtung.» Mit seiner langjährigen Erfahrung weiss er, dass das Erarbeiten eines neuen Programms stets viel Arbeit bedeutet. Es brauche eine Lernkurve. Oftmals erwarteten die Chormitglieder zu früh gute Ergebnisse. «Meine Erfahrung ist, dass ich meistens mit dem Chor geduldiger bin als der Chor mit sich.» Studiert er ein neues Programm für seinen jeweiligen Chor ein, versucht er dessen Potenzial auszuschöpfen – und noch eine kleine Schippe an Schwierigkeit draufzulegen. «Ich möchte den Chor ein wenig aus der Komfortzone locken.»

Das Programm für 2024 steht auch schon weitgehend fest. Zu Ostern werden Werke des schottischen Komponisten James MacMillan gesungen werden, am Martinstag solche von Giacomo Carissimi, an Weihnachten dann eine Messe und Cantate des Schweizers Friedrich Theodor Fröhlich. Dazu kommt ein Franziskus-Patrozinium im Kapuzinerkloster. An Herausforderungen und musikalischem Seelenfutter wird es also auch im kommenden Jahr nicht mangeln.

Bei öffentlichen Auftritten singt der Martinschor ausschliesslich Kirchenliteratur. Bei den wöchentlichen Proben am Mittwochabend wird aber mittels weltlicher Literatur durchaus auch mal für Auflockerung gesorgt. Sind vielleicht auch mal Konzerte mit weltlicher Literatur vorgesehen? «Sag niemals nie», antwortet der 42-Jährige. «Heute ist das nicht geplant. Aber ich schliesse das nicht aus.»

Berichtet Viktor Majzik vom Umfeld in Olten, gerät er geradezu ins Schwärmen. «Es ist echt eine Ehre, hier in diesen Kirchen wirken zu dürfen. In der Martinskirche verfügen wir über eine der besten Orgeln in der Schweiz. Dieses Instrument ist himmlisch schön. Und die Kirche hat eine fantastische Akustik.» Explizit lobt er auch den Austausch mit der reformierten Kirche. An den gemeinsamen ökumenischen Anlässen findet er viel Gefallen.

Er könne es, sagt er zum Schluss unseres Gesprächs, nicht genug betonen, wie sehr er sich in der Oltner Kirchgemeinde zuhause fühle. «Weil es für mich keine Selbstverständlichkeit ist, hier kreieren zu dürfen.» Würde es sein Rauschebart zulassen, könnte man bestimmt auch bei dieser Aussage ein breites Lächeln seine Lippen umspielen sehen.

www.martinschor-olten.ch

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